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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Jda. Jda hatte den andern Tag Magenweh
und Kopfweh.

Jch. Wußtest du es denn nicht, daß man
auch von Obst und Trauben zu viel essen kann?

Jda. (sehr beschämt) Doch, gute Tante, ich hat-
te das schon ein Paarmal versucht, aber die Trau-
ben waren so süß, du warntest mich nicht, und
ich esse sie gar zu gern.

Jch. Sieh Kind, was für dich die Trauben
und Kirschen und Pfirsichen sind, das sind für
Männer starke Getränke. Was den einen reizt,
reizt nicht immer den andern. Aber das, was
uns mächtig reizt, ist für uns das Gefährliche.

Jda. O Tante, laß doch den armen Paul
wiederkommen, ich will ihn trösten, ich will ihm
sagen, daß ich es mit den Trauben nicht besser
gemacht, wie er mit dem Brantwein. O er
soll, er muß wiederkommen.

Jch. Er wird nicht kommen, dazu ist er mit
sich selbst zu sehr entzweit.

Jda. Aber warum ist er denn so sehr bös auf

Jda. Jda hatte den andern Tag Magenweh
und Kopfweh.

Jch. Wußteſt du es denn nicht, daß man
auch von Obſt und Trauben zu viel eſſen kann?

Jda. (ſehr beſchämt) Doch, gute Tante, ich hat-
te das ſchon ein Paarmal verſucht, aber die Trau-
ben waren ſo ſüß, du warnteſt mich nicht, und
ich eſſe ſie gar zu gern.

Jch. Sieh Kind, was für dich die Trauben
und Kirſchen und Pfirſichen ſind, das ſind für
Männer ſtarke Getränke. Was den einen reizt,
reizt nicht immer den andern. Aber das, was
uns mächtig reizt, iſt für uns das Gefährliche.

Jda. O Tante, laß doch den armen Paul
wiederkommen, ich will ihn tröſten, ich will ihm
ſagen, daß ich es mit den Trauben nicht beſſer
gemacht, wie er mit dem Brantwein. O er
ſoll, er muß wiederkommen.

Jch. Er wird nicht kommen, dazu iſt er mit
ſich ſelbſt zu ſehr entzweit.

Jda. Aber warum iſt er denn ſo ſehr bös auf

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[230/0244] Jda. Jda hatte den andern Tag Magenweh und Kopfweh. Jch. Wußteſt du es denn nicht, daß man auch von Obſt und Trauben zu viel eſſen kann? Jda. (ſehr beſchämt) Doch, gute Tante, ich hat- te das ſchon ein Paarmal verſucht, aber die Trau- ben waren ſo ſüß, du warnteſt mich nicht, und ich eſſe ſie gar zu gern. Jch. Sieh Kind, was für dich die Trauben und Kirſchen und Pfirſichen ſind, das ſind für Männer ſtarke Getränke. Was den einen reizt, reizt nicht immer den andern. Aber das, was uns mächtig reizt, iſt für uns das Gefährliche. Jda. O Tante, laß doch den armen Paul wiederkommen, ich will ihn tröſten, ich will ihm ſagen, daß ich es mit den Trauben nicht beſſer gemacht, wie er mit dem Brantwein. O er ſoll, er muß wiederkommen. Jch. Er wird nicht kommen, dazu iſt er mit ſich ſelbſt zu ſehr entzweit. Jda. Aber warum iſt er denn ſo ſehr bös auf

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/244>, abgerufen am 19.05.2024.