Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

denn getrennt dürfen wir dann nicht mehr seyn!
Am meisten frohlocken wird der Vater in seinem
Sohne. Die schöne Milde dieses Charakters mit
dem Feuer, mit der Kraft vereint, muß den Va-
ter entzücken. Woldemar lernt sehr fleißig. Jm
Frühling wird Herr von Platov eine bedeu-
tende Fußreise mit ihm machen. Sie gehen wahr-
scheinlich nach der Schweiz. Wenn sie dann zu-
rückkommen, ziehen sie zu uns aufs Land. Unser
Landhäuschen in Neuenburg ist sehr hübsch ge-
worden. Der Pfarrer Willich brachte mir neu-
lich die Zeichnung davon mit. Der Pfarrer sagt,
er und seine Deborah würden dann allzuglücklich
seyn, wenn der neue Pflanzort von uns erst be-
wohnt sey, und sie täglich mit uns seyn können.

Ach! Jch sehe das Gewitter schon von fern
herziehen, dessen Blitz das Glück seines Lebens
zertrümmern wird. Deborah kann nicht lange
leben. Wohl gut, daß er es so sicher nicht ahnet,
wie ich. Deborah verbirgt ihm ihre Schwäche
mit steter Anstrengung. Doch vielleicht täuscht
mich auch meine Ahnung! Auch hoffe ich, daß

denn getrennt dürfen wir dann nicht mehr ſeyn!
Am meiſten frohlocken wird der Vater in ſeinem
Sohne. Die ſchöne Milde dieſes Charakters mit
dem Feuer, mit der Kraft vereint, muß den Va-
ter entzücken. Woldemar lernt ſehr fleißig. Jm
Frühling wird Herr von Platov eine bedeu-
tende Fußreiſe mit ihm machen. Sie gehen wahr-
ſcheinlich nach der Schweiz. Wenn ſie dann zu-
rückkommen, ziehen ſie zu uns aufs Land. Unſer
Landhäuschen in Neuenburg iſt ſehr hübſch ge-
worden. Der Pfarrer Willich brachte mir neu-
lich die Zeichnung davon mit. Der Pfarrer ſagt,
er und ſeine Deborah würden dann allzuglücklich
ſeyn, wenn der neue Pflanzort von uns erſt be-
wohnt ſey, und ſie täglich mit uns ſeyn können.

Ach! Jch ſehe das Gewitter ſchon von fern
herziehen, deſſen Blitz das Glück ſeines Lebens
zertrümmern wird. Deborah kann nicht lange
leben. Wohl gut, daß er es ſo ſicher nicht ahnet,
wie ich. Deborah verbirgt ihm ihre Schwäche
mit ſteter Anſtrengung. Doch vielleicht täuſcht
mich auch meine Ahnung! Auch hoffe ich, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="255"/>
denn getrennt dürfen wir dann nicht mehr &#x017F;eyn!<lb/>
Am mei&#x017F;ten frohlocken wird der Vater in &#x017F;einem<lb/>
Sohne. Die &#x017F;chöne Milde die&#x017F;es Charakters mit<lb/><hi rendition="#g">dem</hi> Feuer, mit <hi rendition="#g">der</hi> Kraft vereint, muß den Va-<lb/>
ter entzücken. Woldemar lernt &#x017F;ehr fleißig. Jm<lb/>
Frühling wird Herr von Platov eine bedeu-<lb/>
tende Fußrei&#x017F;e mit ihm machen. Sie gehen wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich nach der Schweiz. Wenn &#x017F;ie dann zu-<lb/>
rückkommen, ziehen &#x017F;ie zu uns aufs Land. Un&#x017F;er<lb/>
Landhäuschen in Neuenburg i&#x017F;t &#x017F;ehr hüb&#x017F;ch ge-<lb/>
worden. Der Pfarrer Willich brachte mir neu-<lb/>
lich die Zeichnung davon mit. Der Pfarrer &#x017F;agt,<lb/>
er und &#x017F;eine Deborah würden dann allzuglücklich<lb/>
&#x017F;eyn, wenn der neue Pflanzort von uns er&#x017F;t be-<lb/>
wohnt &#x017F;ey, und &#x017F;ie täglich mit uns &#x017F;eyn können.</p><lb/>
          <p>Ach! Jch &#x017F;ehe das Gewitter &#x017F;chon von fern<lb/>
herziehen, de&#x017F;&#x017F;en Blitz das Glück &#x017F;eines Lebens<lb/>
zertrümmern wird. Deborah kann nicht lange<lb/>
leben. Wohl gut, daß er es &#x017F;o &#x017F;icher nicht ahnet,<lb/>
wie ich. Deborah verbirgt ihm ihre Schwäche<lb/>
mit &#x017F;teter An&#x017F;trengung. Doch vielleicht täu&#x017F;cht<lb/>
mich auch meine Ahnung! Auch hoffe ich, daß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0269] denn getrennt dürfen wir dann nicht mehr ſeyn! Am meiſten frohlocken wird der Vater in ſeinem Sohne. Die ſchöne Milde dieſes Charakters mit dem Feuer, mit der Kraft vereint, muß den Va- ter entzücken. Woldemar lernt ſehr fleißig. Jm Frühling wird Herr von Platov eine bedeu- tende Fußreiſe mit ihm machen. Sie gehen wahr- ſcheinlich nach der Schweiz. Wenn ſie dann zu- rückkommen, ziehen ſie zu uns aufs Land. Unſer Landhäuschen in Neuenburg iſt ſehr hübſch ge- worden. Der Pfarrer Willich brachte mir neu- lich die Zeichnung davon mit. Der Pfarrer ſagt, er und ſeine Deborah würden dann allzuglücklich ſeyn, wenn der neue Pflanzort von uns erſt be- wohnt ſey, und ſie täglich mit uns ſeyn können. Ach! Jch ſehe das Gewitter ſchon von fern herziehen, deſſen Blitz das Glück ſeines Lebens zertrümmern wird. Deborah kann nicht lange leben. Wohl gut, daß er es ſo ſicher nicht ahnet, wie ich. Deborah verbirgt ihm ihre Schwäche mit ſteter Anſtrengung. Doch vielleicht täuſcht mich auch meine Ahnung! Auch hoffe ich, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/269
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/269>, abgerufen am 02.06.2024.