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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Früh genug werden sie die Menschen und sich
bedauern müssen, aber verachten -- nein, das
sollen sie nimmer! Also keine burleske Geschichte
menschlicher Gebrechen. Zuerst sollen unsere Kin-
der das Schöne und das Gute erkennen lernen.
Die Schattenseite von dem Weltgemälde kehren
wir selbst von der nämlichen Jugend fürs erste
noch ab. Kommt die Zeit, wo sie stark genug ist,
auch diese zu sehen -- wohlan, so werde sie ihr
mit dem ganzen elegischen Ernste gezeigt, der der
Sache gebührt. Dieser trauernde Ernst soll all-
mählig den flammenden Enthusiasmus des heili-
gen Jugendsinnes kühlen. Die Zeit des lächeln-
den Spottes kommt später; noch später die des
geiselnden Satyrs; die -- der höhnenden Persi-
flage darf niemals kommen, wenigstens von deut-
schem Boden bleibe sie ewig fern!

Jn das weibliche Gemüth soll nie ein Satyr
einkehren, selbst der feinste nicht.

Auch für die frömmste weibliche Seele schlägt
endlich die Stunde, wo ihr das Unschuldsparadies

Früh genug werden ſie die Menſchen und ſich
bedauern müſſen, aber verachten — nein, das
ſollen ſie nimmer! Alſo keine burleske Geſchichte
menſchlicher Gebrechen. Zuerſt ſollen unſere Kin-
der das Schöne und das Gute erkennen lernen.
Die Schattenſeite von dem Weltgemälde kehren
wir ſelbſt von der nämlichen Jugend fürs erſte
noch ab. Kommt die Zeit, wo ſie ſtark genug iſt,
auch dieſe zu ſehen — wohlan, ſo werde ſie ihr
mit dem ganzen elegiſchen Ernſte gezeigt, der der
Sache gebührt. Dieſer trauernde Ernſt ſoll all-
mählig den flammenden Enthuſiasmus des heili-
gen Jugendſinnes kühlen. Die Zeit des lächeln-
den Spottes kommt ſpäter; noch ſpäter die des
geiſelnden Satyrs; die — der höhnenden Perſi-
flage darf niemals kommen, wenigſtens von deut-
ſchem Boden bleibe ſie ewig fern!

Jn das weibliche Gemüth ſoll nie ein Satyr
einkehren, ſelbſt der feinſte nicht.

Auch für die frömmſte weibliche Seele ſchlägt
endlich die Stunde, wo ihr das Unſchuldsparadies

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[270/0284] Früh genug werden ſie die Menſchen und ſich bedauern müſſen, aber verachten — nein, das ſollen ſie nimmer! Alſo keine burleske Geſchichte menſchlicher Gebrechen. Zuerſt ſollen unſere Kin- der das Schöne und das Gute erkennen lernen. Die Schattenſeite von dem Weltgemälde kehren wir ſelbſt von der nämlichen Jugend fürs erſte noch ab. Kommt die Zeit, wo ſie ſtark genug iſt, auch dieſe zu ſehen — wohlan, ſo werde ſie ihr mit dem ganzen elegiſchen Ernſte gezeigt, der der Sache gebührt. Dieſer trauernde Ernſt ſoll all- mählig den flammenden Enthuſiasmus des heili- gen Jugendſinnes kühlen. Die Zeit des lächeln- den Spottes kommt ſpäter; noch ſpäter die des geiſelnden Satyrs; die — der höhnenden Perſi- flage darf niemals kommen, wenigſtens von deut- ſchem Boden bleibe ſie ewig fern! Jn das weibliche Gemüth ſoll nie ein Satyr einkehren, ſelbſt der feinſte nicht. Auch für die frömmſte weibliche Seele ſchlägt endlich die Stunde, wo ihr das Unſchuldsparadies

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/284>, abgerufen am 22.11.2024.