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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Das wirkte zu stark. Selbst Mathilde war so
ergriffen, daß sie zitterte. Clärchen schluchzte so
laut, daß ich erinnern mußte, nicht zu stören.
Jda zerfloß in stillem Trauern. Jch bat Frau
v. R., sich so zu setzen, daß ich unbemerkt mit den
Kindern hinausschlüpfen konnte. Sie deckte erst
unsern Rückzug, und kam dann selbst nach.

Wohl hatte ich sehr Unrecht gehabt, die Kinder
ein solches Jnstrument unvorbereitet hören zu las-
sen. -- Es war ein schöner Märzabend, und Voll-
mond. Wir spazierten noch ein Weilchen an der
Esplanade längs dem Flusse, und kamen heiter
und sanft bewegt nach Hause. -- Zu Hause mußte
ich den Kindern noch eine Beschreibung von der
Harmonica geben. Dann wollten sie auch wissen,
wo und wie man solche Jnstrumente mache.

Jda fragte endlich, wer sich dies himmlische
Jnstrument zuerst ausgedacht? Jch nannte ihr
den Erfinder, und führte sie zu der schönen Büste
des ehrwürdigen Alten, die ich seit kurzem besitze.
Auf den folgenden Tag versprach ich den Kindern
die Lebensgeschichte des merkwürdigen Mannes.

Das wirkte zu ſtark. Selbſt Mathilde war ſo
ergriffen, daß ſie zitterte. Clärchen ſchluchzte ſo
laut, daß ich erinnern mußte, nicht zu ſtören.
Jda zerfloß in ſtillem Trauern. Jch bat Frau
v. R., ſich ſo zu ſetzen, daß ich unbemerkt mit den
Kindern hinausſchlüpfen konnte. Sie deckte erſt
unſern Rückzug, und kam dann ſelbſt nach.

Wohl hatte ich ſehr Unrecht gehabt, die Kinder
ein ſolches Jnſtrument unvorbereitet hören zu laſ-
ſen. — Es war ein ſchöner Märzabend, und Voll-
mond. Wir ſpazierten noch ein Weilchen an der
Esplanade längs dem Fluſſe, und kamen heiter
und ſanft bewegt nach Hauſe. — Zu Hauſe mußte
ich den Kindern noch eine Beſchreibung von der
Harmonica geben. Dann wollten ſie auch wiſſen,
wo und wie man ſolche Jnſtrumente mache.

Jda fragte endlich, wer ſich dies himmliſche
Jnſtrument zuerſt ausgedacht? Jch nannte ihr
den Erfinder, und führte ſie zu der ſchönen Büſte
des ehrwürdigen Alten, die ich ſeit kurzem beſitze.
Auf den folgenden Tag verſprach ich den Kindern
die Lebensgeſchichte des merkwürdigen Mannes.

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[280/0294] Das wirkte zu ſtark. Selbſt Mathilde war ſo ergriffen, daß ſie zitterte. Clärchen ſchluchzte ſo laut, daß ich erinnern mußte, nicht zu ſtören. Jda zerfloß in ſtillem Trauern. Jch bat Frau v. R., ſich ſo zu ſetzen, daß ich unbemerkt mit den Kindern hinausſchlüpfen konnte. Sie deckte erſt unſern Rückzug, und kam dann ſelbſt nach. Wohl hatte ich ſehr Unrecht gehabt, die Kinder ein ſolches Jnſtrument unvorbereitet hören zu laſ- ſen. — Es war ein ſchöner Märzabend, und Voll- mond. Wir ſpazierten noch ein Weilchen an der Esplanade längs dem Fluſſe, und kamen heiter und ſanft bewegt nach Hauſe. — Zu Hauſe mußte ich den Kindern noch eine Beſchreibung von der Harmonica geben. Dann wollten ſie auch wiſſen, wo und wie man ſolche Jnſtrumente mache. Jda fragte endlich, wer ſich dies himmliſche Jnſtrument zuerſt ausgedacht? Jch nannte ihr den Erfinder, und führte ſie zu der ſchönen Büſte des ehrwürdigen Alten, die ich ſeit kurzem beſitze. Auf den folgenden Tag verſprach ich den Kindern die Lebensgeſchichte des merkwürdigen Mannes.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/294>, abgerufen am 02.06.2024.