Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.Reime hält (welcher gewöhnlich rohen Ohren be- O wie die Kinder diese Stunde lieben! Mir Reime hält (welcher gewöhnlich rohen Ohren be- O wie die Kinder dieſe Stunde lieben! Mir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0297" n="283"/> Reime hält (welcher gewöhnlich rohen Ohren be-<lb/> ſonders wohlthut), bekommt nun faſt immer reim-<lb/> loſe Gedichte zur Aufgabe. Haben ſie hergeſagt,<lb/> dann ſagt mir jedes, was ihm an dem oder dem<lb/> Stück beſonders gefällt. Zuletzt ſage ich ihnen<lb/> auch mein Urtheil, wenn es ſich nemlich in ihrem<lb/> Geiſt und ihrer Sprache abfaſſen läßt. Dann leſe ich<lb/> ihnen aus einem größern Gedichte, oder auch ein<lb/> kleines Ganzes vor. Jn der vorletzten Stunde<lb/> hatten wir Hector’s Abſchied aus <hi rendition="#g">Voß</hi>’ens Ueber-<lb/> ſetzung der Jlias. O wie waren die Kleinen ſo<lb/> ganz hingegeben. Solcher Stellen in der Odyſſee<lb/> und Jlias gibt es nicht wenige, die der kindliche<lb/> Geiſt faſſen kann, ohne zu ſtark exaltirt zu wer-<lb/> den. Ein andermal nehmen wir wieder ein <hi rendition="#g">Ges-<lb/> ner’ſ</hi>ches Jdillchen. — Ganz gegen den gewohnten<lb/> Gebrauch finde ich in den eigentlich klaſſiſchen Dich-<lb/> tern viel mehr der Kindheit angemeſſenes, als in<lb/> unſern Kinderpoeſieen. Selbſt in der Meſſiade gibt<lb/> es Szenen, die ein rein kindliches Kind faſſen<lb/> und in Herz und Sinn aufnehmen kann.</p><lb/> <p>O wie die Kinder dieſe Stunde lieben! Mir<lb/> ſelbſt iſt ſie heilig; ich gebe ſie nicht, wenn ich zu-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0297]
Reime hält (welcher gewöhnlich rohen Ohren be-
ſonders wohlthut), bekommt nun faſt immer reim-
loſe Gedichte zur Aufgabe. Haben ſie hergeſagt,
dann ſagt mir jedes, was ihm an dem oder dem
Stück beſonders gefällt. Zuletzt ſage ich ihnen
auch mein Urtheil, wenn es ſich nemlich in ihrem
Geiſt und ihrer Sprache abfaſſen läßt. Dann leſe ich
ihnen aus einem größern Gedichte, oder auch ein
kleines Ganzes vor. Jn der vorletzten Stunde
hatten wir Hector’s Abſchied aus Voß’ens Ueber-
ſetzung der Jlias. O wie waren die Kleinen ſo
ganz hingegeben. Solcher Stellen in der Odyſſee
und Jlias gibt es nicht wenige, die der kindliche
Geiſt faſſen kann, ohne zu ſtark exaltirt zu wer-
den. Ein andermal nehmen wir wieder ein Ges-
ner’ſches Jdillchen. — Ganz gegen den gewohnten
Gebrauch finde ich in den eigentlich klaſſiſchen Dich-
tern viel mehr der Kindheit angemeſſenes, als in
unſern Kinderpoeſieen. Selbſt in der Meſſiade gibt
es Szenen, die ein rein kindliches Kind faſſen
und in Herz und Sinn aufnehmen kann.
O wie die Kinder dieſe Stunde lieben! Mir
ſelbſt iſt ſie heilig; ich gebe ſie nicht, wenn ich zu-
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