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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Freund sie zu einer treflichen Freundin gebracht,
welche Natalia hieß, wo sie an Geist, Herz und
Leibe mit schöner zarter Liebe gepflegt, dennoch vor
Sehnsucht vergangen sey, und nun in dem un-
bekannten Lande wohne, das viel herrlicher sey,
als Jtalien. O wie die Kinder horchten! Wie
sie die arme Mignon lieben! Wie viel Fragen
wurden noch gethan! Alle Drei fragten fast im-
mer zugleich, und wollten immer noch mehr wis-
sen von der Geschichte. Besonders Jda und Clär-
chen waren unerschöpflich in Fragen nach dem
schönen Lande. Am meisten beschäftigten sie die
dunkeln Wolkenstege der Berge, die dahin füh-
ren. Jch mußte ihnen nun von der Schweiz und
Tyrol und den Alpen erzählen. Gern bekenne ich
Dir, daß das keine geographische Belehrung wur-
de, (die läßt sich ein andermal nachholen;) ich ließ
meine und der Kinder Phantasie walten, malt'
ihnen das herrliche Schweizerland mit den leben-
digsten Farben, beschrieb ihnen den Gotthard
und die Jungfrau, das Schreckhorn, den Furka
und das Wetterhorn. Seitdem wollen sie durch-
aus hin. Oft besprechen sie sich untereinander,

Freund ſie zu einer treflichen Freundin gebracht,
welche Natalia hieß, wo ſie an Geiſt, Herz und
Leibe mit ſchöner zarter Liebe gepflegt, dennoch vor
Sehnſucht vergangen ſey, und nun in dem un-
bekannten Lande wohne, das viel herrlicher ſey,
als Jtalien. O wie die Kinder horchten! Wie
ſie die arme Mignon lieben! Wie viel Fragen
wurden noch gethan! Alle Drei fragten faſt im-
mer zugleich, und wollten immer noch mehr wiſ-
ſen von der Geſchichte. Beſonders Jda und Clär-
chen waren unerſchöpflich in Fragen nach dem
ſchönen Lande. Am meiſten beſchäftigten ſie die
dunkeln Wolkenſtege der Berge, die dahin füh-
ren. Jch mußte ihnen nun von der Schweiz und
Tyrol und den Alpen erzählen. Gern bekenne ich
Dir, daß das keine geographiſche Belehrung wur-
de, (die läßt ſich ein andermal nachholen;) ich ließ
meine und der Kinder Phantaſie walten, malt’
ihnen das herrliche Schweizerland mit den leben-
digſten Farben, beſchrieb ihnen den Gotthard
und die Jungfrau, das Schreckhorn, den Furka
und das Wetterhorn. Seitdem wollen ſie durch-
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[286/0300] Freund ſie zu einer treflichen Freundin gebracht, welche Natalia hieß, wo ſie an Geiſt, Herz und Leibe mit ſchöner zarter Liebe gepflegt, dennoch vor Sehnſucht vergangen ſey, und nun in dem un- bekannten Lande wohne, das viel herrlicher ſey, als Jtalien. O wie die Kinder horchten! Wie ſie die arme Mignon lieben! Wie viel Fragen wurden noch gethan! Alle Drei fragten faſt im- mer zugleich, und wollten immer noch mehr wiſ- ſen von der Geſchichte. Beſonders Jda und Clär- chen waren unerſchöpflich in Fragen nach dem ſchönen Lande. Am meiſten beſchäftigten ſie die dunkeln Wolkenſtege der Berge, die dahin füh- ren. Jch mußte ihnen nun von der Schweiz und Tyrol und den Alpen erzählen. Gern bekenne ich Dir, daß das keine geographiſche Belehrung wur- de, (die läßt ſich ein andermal nachholen;) ich ließ meine und der Kinder Phantaſie walten, malt’ ihnen das herrliche Schweizerland mit den leben- digſten Farben, beſchrieb ihnen den Gotthard und die Jungfrau, das Schreckhorn, den Furka und das Wetterhorn. Seitdem wollen ſie durch- aus hin. Oft beſprechen ſie ſich untereinander,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/300>, abgerufen am 22.11.2024.