Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.aber laß sie ein wenig fühlen, was Brennen heißt. Jch stehe dafür, sie wird nicht mehr in das Licht greifen; und sollte sie's zu vergessen scheinen, so rufe nur: es brennt! und die Erinnerung des Ge- fühls wird mit den Worten zurückkehren. Auf immer wirst Du freilich auch Messer, Gabel, Scheere, und alle scharfe Jnstrumente nicht vor ihr verbergen können. So wie ihr das erste da- von in die Augen fällt, sage ihr: Jda, es schnei- det! Jda, es sticht! Dieß Gefühl kennt sie noch nicht, aber Deine warnende Stimme kennt sie schon, und gewiß wird sie auf diesen Ton und auf diese Worte merken. -- Bezeigt sie dennoch ein ungestümes Verlangen darnach, laß sie sich in die Spitze ein klein wenig stechen; aber laß es doch so viel seyn, daß es sie ein wenig schmerzt, und sie wird sicherlich das böse Ding wegwerfen, und wird nach der zweiten Erfahrung die Stimme der Warnung schon besser kennen und mehr darauf achten. Noch ein Paar ähnliche Erfahrungen, und sie braucht keine mehr zu machen; sicher wird sie auf Deine Warnung merken, und ihr willig gehorchen. Für heute nichts mehr. Aber Du aber laß ſie ein wenig fühlen, was Brennen heißt. Jch ſtehe dafür, ſie wird nicht mehr in das Licht greifen; und ſollte ſie’s zu vergeſſen ſcheinen, ſo rufe nur: es brennt! und die Erinnerung des Ge- fühls wird mit den Worten zurückkehren. Auf immer wirſt Du freilich auch Meſſer, Gabel, Scheere, und alle ſcharfe Jnſtrumente nicht vor ihr verbergen können. So wie ihr das erſte da- von in die Augen fällt, ſage ihr: Jda, es ſchnei- det! Jda, es ſticht! Dieß Gefühl kennt ſie noch nicht, aber Deine warnende Stimme kennt ſie ſchon, und gewiß wird ſie auf dieſen Ton und auf dieſe Worte merken. — Bezeigt ſie dennoch ein ungeſtümes Verlangen darnach, laß ſie ſich in die Spitze ein klein wenig ſtechen; aber laß es doch ſo viel ſeyn, daß es ſie ein wenig ſchmerzt, und ſie wird ſicherlich das böſe Ding wegwerfen, und wird nach der zweiten Erfahrung die Stimme der Warnung ſchon beſſer kennen und mehr darauf achten. Noch ein Paar ähnliche Erfahrungen, und ſie braucht keine mehr zu machen; ſicher wird ſie auf Deine Warnung merken, und ihr willig gehorchen. Für heute nichts mehr. Aber Du <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0044" n="30"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> aber laß ſie ein wenig fühlen, was Brennen heißt.<lb/> Jch ſtehe dafür, ſie wird nicht mehr in das Licht<lb/> greifen; und ſollte ſie’s zu vergeſſen ſcheinen, ſo<lb/> rufe nur: es brennt! und die Erinnerung des Ge-<lb/> fühls wird mit den Worten zurückkehren. Auf<lb/> immer wirſt Du freilich auch Meſſer, Gabel,<lb/> Scheere, und alle ſcharfe Jnſtrumente nicht vor<lb/> ihr verbergen können. So wie ihr das erſte da-<lb/> von in die Augen fällt, ſage ihr: Jda, es ſchnei-<lb/> det! Jda, es ſticht! Dieß Gefühl kennt ſie noch<lb/> nicht, aber Deine warnende Stimme kennt ſie<lb/> ſchon, und gewiß wird ſie auf dieſen Ton und<lb/> auf dieſe Worte merken. — Bezeigt ſie dennoch<lb/> ein ungeſtümes Verlangen darnach, laß ſie ſich in<lb/> die Spitze <hi rendition="#g">ein klein wenig</hi> ſtechen; aber laß<lb/> es doch ſo viel ſeyn, daß es ſie ein wenig ſchmerzt,<lb/> und ſie wird ſicherlich das böſe Ding wegwerfen,<lb/> und wird nach der zweiten Erfahrung die Stimme<lb/> der Warnung ſchon beſſer kennen und mehr darauf<lb/> achten. Noch ein Paar ähnliche Erfahrungen,<lb/> und ſie braucht keine mehr zu machen; ſicher wird<lb/> ſie auf Deine Warnung merken, und ihr willig<lb/> gehorchen. Für heute nichts mehr. Aber Du<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0044]
aber laß ſie ein wenig fühlen, was Brennen heißt.
Jch ſtehe dafür, ſie wird nicht mehr in das Licht
greifen; und ſollte ſie’s zu vergeſſen ſcheinen, ſo
rufe nur: es brennt! und die Erinnerung des Ge-
fühls wird mit den Worten zurückkehren. Auf
immer wirſt Du freilich auch Meſſer, Gabel,
Scheere, und alle ſcharfe Jnſtrumente nicht vor
ihr verbergen können. So wie ihr das erſte da-
von in die Augen fällt, ſage ihr: Jda, es ſchnei-
det! Jda, es ſticht! Dieß Gefühl kennt ſie noch
nicht, aber Deine warnende Stimme kennt ſie
ſchon, und gewiß wird ſie auf dieſen Ton und
auf dieſe Worte merken. — Bezeigt ſie dennoch
ein ungeſtümes Verlangen darnach, laß ſie ſich in
die Spitze ein klein wenig ſtechen; aber laß
es doch ſo viel ſeyn, daß es ſie ein wenig ſchmerzt,
und ſie wird ſicherlich das böſe Ding wegwerfen,
und wird nach der zweiten Erfahrung die Stimme
der Warnung ſchon beſſer kennen und mehr darauf
achten. Noch ein Paar ähnliche Erfahrungen,
und ſie braucht keine mehr zu machen; ſicher wird
ſie auf Deine Warnung merken, und ihr willig
gehorchen. Für heute nichts mehr. Aber Du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |