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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Weibe da noch dulden? -- Eine Zeitlang will ich
es noch versuchen, was mit diesem sonderbaren
Geschöpfe auszurichten stehet. An mich wagt sie
sich mit ihren Einfällen nicht: desto öfter aber
lauert sie Mathilden auf. Auch an Clärchenn reibt
sich ihr Muthwille nicht selten. Vor Jda hat
sie eine Art frommer Scheu; aber Jda beträgt
sich auch untadelhaft gegen Hertha, und duldet
ihre Unarten mit einer höchst liebenswürdigen
Sanftmuth. Mit dem Gesinde hat Hertha täg-
lich Händel; denn sie kann es gar nicht fassen,
daß auch die dienenden Menschen ein Gefühl ha-
ben, welches geschont seyn will, und meynt, daß
sie durchaus geschaffen sind, unsern Launen zu
willfahren. Der Magd eine Ohrfeige geben, und
diese mit einem Dukaten wieder gut machen,
meynte sie neulich, das sey doch wohl nichts schlim-
mes, und die Magd könne sich immer freuen,
auf eine so leichte und geschwinde Art zu so einem
Goldstück gekommen zu seyn. Ueber dieser Be-
hauptung kam ich hinzu, als ich nach Tisch im
Garten gewesen war. Liesel war nämlich beim Ab-
räumen des Tisches unvorsichtig, und stieß ein

Weibe da noch dulden? — Eine Zeitlang will ich
es noch verſuchen, was mit dieſem ſonderbaren
Geſchöpfe auszurichten ſtehet. An mich wagt ſie
ſich mit ihren Einfällen nicht: deſto öfter aber
lauert ſie Mathilden auf. Auch an Clärchẽn reibt
ſich ihr Muthwille nicht ſelten. Vor Jda hat
ſie eine Art frommer Scheu; aber Jda beträgt
ſich auch untadelhaft gegen Hertha, und duldet
ihre Unarten mit einer höchſt liebenswürdigen
Sanftmuth. Mit dem Geſinde hat Hertha täg-
lich Händel; denn ſie kann es gar nicht faſſen,
daß auch die dienenden Menſchen ein Gefühl ha-
ben, welches geſchont ſeyn will, und meynt, daß
ſie durchaus geſchaffen ſind, unſern Launen zu
willfahren. Der Magd eine Ohrfeige geben, und
dieſe mit einem Dukaten wieder gut machen,
meynte ſie neulich, das ſey doch wohl nichts ſchlim-
mes, und die Magd könne ſich immer freuen,
auf eine ſo leichte und geſchwinde Art zu ſo einem
Goldſtück gekommen zu ſeyn. Ueber dieſer Be-
hauptung kam ich hinzu, als ich nach Tiſch im
Garten geweſen war. Lieſel war nämlich beim Ab-
räumen des Tiſches unvorſichtig, und ſtieß ein

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[95/0103] Weibe da noch dulden? — Eine Zeitlang will ich es noch verſuchen, was mit dieſem ſonderbaren Geſchöpfe auszurichten ſtehet. An mich wagt ſie ſich mit ihren Einfällen nicht: deſto öfter aber lauert ſie Mathilden auf. Auch an Clärchẽn reibt ſich ihr Muthwille nicht ſelten. Vor Jda hat ſie eine Art frommer Scheu; aber Jda beträgt ſich auch untadelhaft gegen Hertha, und duldet ihre Unarten mit einer höchſt liebenswürdigen Sanftmuth. Mit dem Geſinde hat Hertha täg- lich Händel; denn ſie kann es gar nicht faſſen, daß auch die dienenden Menſchen ein Gefühl ha- ben, welches geſchont ſeyn will, und meynt, daß ſie durchaus geſchaffen ſind, unſern Launen zu willfahren. Der Magd eine Ohrfeige geben, und dieſe mit einem Dukaten wieder gut machen, meynte ſie neulich, das ſey doch wohl nichts ſchlim- mes, und die Magd könne ſich immer freuen, auf eine ſo leichte und geſchwinde Art zu ſo einem Goldſtück gekommen zu ſeyn. Ueber dieſer Be- hauptung kam ich hinzu, als ich nach Tiſch im Garten geweſen war. Lieſel war nämlich beim Ab- räumen des Tiſches unvorſichtig, und ſtieß ein

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/103>, abgerufen am 24.11.2024.