Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

von jedem ihrer Mitglieder fodert. Eine solche
Strenge zu üben, kommt nun aber dem wohlor-
ganisirten harmonischen Wesen erschrecklich vor. --
Und Milde -- wo sie nicht bessert, verstockt unaus-
bleiblich. -- Aber woran sind diese schlimmeren
oder gröbern Naturen zu erkennen? Oft, ja fast
immer, ist das nur Verwöhnung, was ein harter
Mißton der Natur zu seyn scheint. Mathilde hat
dieß hinlänglich bewiesen. -- Wenn Du sie jetzt
wiedersähest, wie würdest Du sie lieben müssen!
Auch haben selbst ihre harten Züge sich gemildert.
Sie hat eine fürstliche Miene, aber Hochmuth ist
nicht mehr darin. Das findet auch Woldemar,
der gewiß recht fein bemerkt. -- "Wo ist Ma-
thildens stolzer Trotz geblieben?" sagt' er neulich,
als er sie mit Clärchen so innig verschwistert und
in sanfter Stille mit ihr die Haushaltungsge-
schäfte theilen sah. "Jhr Hochmuth scheint mir
jetzt Großmuth geworden." -- Vom Kornett
haben sie gute Nachricht mitgebracht. Es scheint
die militärische Zucht gut auf ihn zu wirken. Aber
der General, ein etwas finsterer, ernster Mann,
hält ihn auch recht kurz, gerade so, wie das bei

von jedem ihrer Mitglieder fodert. Eine ſolche
Strenge zu üben, kommt nun aber dem wohlor-
ganiſirten harmoniſchen Weſen erſchrecklich vor. —
Und Milde — wo ſie nicht beſſert, verſtockt unaus-
bleiblich. — Aber woran ſind dieſe ſchlimmeren
oder gröbern Naturen zu erkennen? Oft, ja faſt
immer, iſt das nur Verwöhnung, was ein harter
Mißton der Natur zu ſeyn ſcheint. Mathilde hat
dieß hinlänglich bewieſen. — Wenn Du ſie jetzt
wiederſäheſt, wie würdeſt Du ſie lieben müſſen!
Auch haben ſelbſt ihre harten Züge ſich gemildert.
Sie hat eine fürſtliche Miene, aber Hochmuth iſt
nicht mehr darin. Das findet auch Woldemar,
der gewiß recht fein bemerkt. — „Wo iſt Ma-
thildens ſtolzer Trotz geblieben?‟ ſagt’ er neulich,
als er ſie mit Clärchen ſo innig verſchwiſtert und
in ſanfter Stille mit ihr die Haushaltungsge-
ſchäfte theilen ſah. „Jhr Hochmuth ſcheint mir
jetzt Großmuth geworden.‟ — Vom Kornett
haben ſie gute Nachricht mitgebracht. Es ſcheint
die militäriſche Zucht gut auf ihn zu wirken. Aber
der General, ein etwas finſterer, ernſter Mann,
hält ihn auch recht kurz, gerade ſo, wie das bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="120"/>
von jedem ihrer Mitglieder fodert. Eine &#x017F;olche<lb/>
Strenge zu üben, kommt nun aber dem wohlor-<lb/>
gani&#x017F;irten harmoni&#x017F;chen We&#x017F;en er&#x017F;chrecklich vor. &#x2014;<lb/>
Und Milde &#x2014; wo &#x017F;ie nicht be&#x017F;&#x017F;ert, ver&#x017F;tockt unaus-<lb/>
bleiblich. &#x2014; Aber woran &#x017F;ind die&#x017F;e &#x017F;chlimmeren<lb/>
oder gröbern Naturen zu erkennen? Oft, ja fa&#x017F;t<lb/>
immer, i&#x017F;t das nur Verwöhnung, was ein harter<lb/>
Mißton der Natur zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint. Mathilde hat<lb/>
dieß hinlänglich bewie&#x017F;en. &#x2014; Wenn Du &#x017F;ie jetzt<lb/>
wieder&#x017F;ähe&#x017F;t, wie würde&#x017F;t Du &#x017F;ie lieben mü&#x017F;&#x017F;en!<lb/>
Auch haben &#x017F;elb&#x017F;t ihre harten Züge &#x017F;ich gemildert.<lb/>
Sie hat eine für&#x017F;tliche Miene, aber Hochmuth i&#x017F;t<lb/>
nicht mehr darin. Das findet auch Woldemar,<lb/>
der gewiß recht fein bemerkt. &#x2014; &#x201E;Wo i&#x017F;t Ma-<lb/>
thildens &#x017F;tolzer Trotz geblieben?&#x201F; &#x017F;agt&#x2019; er neulich,<lb/>
als er &#x017F;ie mit Clärchen &#x017F;o innig ver&#x017F;chwi&#x017F;tert und<lb/>
in &#x017F;anfter Stille mit ihr die Haushaltungsge-<lb/>
&#x017F;chäfte theilen &#x017F;ah. &#x201E;Jhr Hochmuth &#x017F;cheint mir<lb/>
jetzt Großmuth geworden.&#x201F; &#x2014; Vom Kornett<lb/>
haben &#x017F;ie gute Nachricht mitgebracht. Es &#x017F;cheint<lb/>
die militäri&#x017F;che Zucht gut auf ihn zu wirken. Aber<lb/>
der General, ein etwas fin&#x017F;terer, ern&#x017F;ter Mann,<lb/>
hält ihn auch recht kurz, gerade &#x017F;o, wie das bei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0128] von jedem ihrer Mitglieder fodert. Eine ſolche Strenge zu üben, kommt nun aber dem wohlor- ganiſirten harmoniſchen Weſen erſchrecklich vor. — Und Milde — wo ſie nicht beſſert, verſtockt unaus- bleiblich. — Aber woran ſind dieſe ſchlimmeren oder gröbern Naturen zu erkennen? Oft, ja faſt immer, iſt das nur Verwöhnung, was ein harter Mißton der Natur zu ſeyn ſcheint. Mathilde hat dieß hinlänglich bewieſen. — Wenn Du ſie jetzt wiederſäheſt, wie würdeſt Du ſie lieben müſſen! Auch haben ſelbſt ihre harten Züge ſich gemildert. Sie hat eine fürſtliche Miene, aber Hochmuth iſt nicht mehr darin. Das findet auch Woldemar, der gewiß recht fein bemerkt. — „Wo iſt Ma- thildens ſtolzer Trotz geblieben?‟ ſagt’ er neulich, als er ſie mit Clärchen ſo innig verſchwiſtert und in ſanfter Stille mit ihr die Haushaltungsge- ſchäfte theilen ſah. „Jhr Hochmuth ſcheint mir jetzt Großmuth geworden.‟ — Vom Kornett haben ſie gute Nachricht mitgebracht. Es ſcheint die militäriſche Zucht gut auf ihn zu wirken. Aber der General, ein etwas finſterer, ernſter Mann, hält ihn auch recht kurz, gerade ſo, wie das bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/128
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/128>, abgerufen am 24.11.2024.