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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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um Dich herum, und sänge Dir das beste vor,
was ich wüßte, und setzte mich auf Deinen stolzen
Flügel, und schiffte mit Dir, und ehe der Schwan
den langen Hals umgebogen, um zu sehen, wer ihn
pickt, husch wäre das Vöglein wieder im Schilfen.
So fertigt sie den Bruder oft ab, und so kann sie's
Stundenlang treiben, bis ich sage: Spätzchen, hör'
auf! -- das ist ihr genug: sie sieht mich verstoh-
len an, legt den Finger auf den Mund, und macht
sich irgend etwas zu schaffen. Auch kann ich Dir
nicht sagen, wie interessant es mir ist, dieses ganz
anders geartete Wesen sich frei entfalten zu sehen.
Sie bringt ein neues Farbenspiel in unser Leben.
Jch habe mit dem Bruno hinlänglich zu thun, ihn
gerechter gegen diese ihm fremde Natur zu machen.
Seine Begriffe von der eigentlichen Weiblichkeit
sind allzubeschränkt. -- Jda ist sein Jdeal, und
was sich dem nicht nähert, meint er, sey unweib-
lich. Oft halte ich ihm vor, wie langweilig die
Welt besonders die feinere gebildete Welt und ihr
Gesellschaftsleben seyn würde, wenn alle Weiber
ganz in eine Form gegossen wären -- und daß
wir billig mit dankbarer Gelehrigkeit auf die Na-

um Dich herum, und ſänge Dir das beſte vor,
was ich wüßte, und ſetzte mich auf Deinen ſtolzen
Flügel, und ſchiffte mit Dir, und ehe der Schwan
den langen Hals umgebogen, um zu ſehen, wer ihn
pickt, huſch wäre das Vöglein wieder im Schilfen.
So fertigt ſie den Bruder oft ab, und ſo kann ſie’s
Stundenlang treiben, bis ich ſage: Spätzchen, hör’
auf! — das iſt ihr genug: ſie ſieht mich verſtoh-
len an, legt den Finger auf den Mund, und macht
ſich irgend etwas zu ſchaffen. Auch kann ich Dir
nicht ſagen, wie intereſſant es mir iſt, dieſes ganz
anders geartete Weſen ſich frei entfalten zu ſehen.
Sie bringt ein neues Farbenſpiel in unſer Leben.
Jch habe mit dem Bruno hinlänglich zu thun, ihn
gerechter gegen dieſe ihm fremde Natur zu machen.
Seine Begriffe von der eigentlichen Weiblichkeit
ſind allzubeſchränkt. — Jda iſt ſein Jdeal, und
was ſich dem nicht nähert, meint er, ſey unweib-
lich. Oft halte ich ihm vor, wie langweilig die
Welt beſonders die feinere gebildete Welt und ihr
Geſellſchaftsleben ſeyn würde, wenn alle Weiber
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[157/0165] um Dich herum, und ſänge Dir das beſte vor, was ich wüßte, und ſetzte mich auf Deinen ſtolzen Flügel, und ſchiffte mit Dir, und ehe der Schwan den langen Hals umgebogen, um zu ſehen, wer ihn pickt, huſch wäre das Vöglein wieder im Schilfen. So fertigt ſie den Bruder oft ab, und ſo kann ſie’s Stundenlang treiben, bis ich ſage: Spätzchen, hör’ auf! — das iſt ihr genug: ſie ſieht mich verſtoh- len an, legt den Finger auf den Mund, und macht ſich irgend etwas zu ſchaffen. Auch kann ich Dir nicht ſagen, wie intereſſant es mir iſt, dieſes ganz anders geartete Weſen ſich frei entfalten zu ſehen. Sie bringt ein neues Farbenſpiel in unſer Leben. Jch habe mit dem Bruno hinlänglich zu thun, ihn gerechter gegen dieſe ihm fremde Natur zu machen. Seine Begriffe von der eigentlichen Weiblichkeit ſind allzubeſchränkt. — Jda iſt ſein Jdeal, und was ſich dem nicht nähert, meint er, ſey unweib- lich. Oft halte ich ihm vor, wie langweilig die Welt beſonders die feinere gebildete Welt und ihr Geſellſchaftsleben ſeyn würde, wenn alle Weiber ganz in eine Form gegoſſen wären — und daß wir billig mit dankbarer Gelehrigkeit auf die Na-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/165>, abgerufen am 24.11.2024.