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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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in Deinem 8ten Jahre aus der Flamme, als die
wilde Hertha dem Kamin zu nahe gekommen war,
und schon ihre Kleider brannten, wer trug sie bren-
nend in seinen Armen aufs nächste Bett, und
dämpfte mit seinem eignen Körper die Flam-
me, indem er sich selbst verbrannte? Es war Dein
ernster Bruno. Und wer nimmt Dich gegen die
Beschuldigung der Fleuri und gegen jede ähnliche
Anklage, daß Dein Herz böse sey, in Schutz --
wer anders als Bruno? Alle Schwestern die einen
Bruder haben, sind von der Natur auf den brüder-
lichen Schutz angewiesen. Bei ihnen vertritt über-
all der Bruder die Stelle des Vaters, wo es auf
Schutz ankommt: daher zum Theil das peinliche Ge-
fühl der Schwester, den Bruder furchtsam, schwach,
verächtlich oder auch nur lächerlich zu sehen. Nun
Tante, durch mich soll die gute Mathilde keinen
bösen Augenblick mehr haben, das darf ich Dir
versprechen, denn Hertha kann nie mehr ganz leicht-
sinnig seyn, seit sie mit Dir und Jda lebt. Vor
euch beiden würde ich mich fürchten, wenn ich euch
nicht so entsetzlich lieb haben müßte. Noch den-
selben Abend antwortete sie recht artig und so gar

in Deinem 8ten Jahre aus der Flamme, als die
wilde Hertha dem Kamin zu nahe gekommen war,
und ſchon ihre Kleider brannten, wer trug ſie bren-
nend in ſeinen Armen aufs nächſte Bett, und
dämpfte mit ſeinem eignen Körper die Flam-
me, indem er ſich ſelbſt verbrannte? Es war Dein
ernſter Bruno. Und wer nimmt Dich gegen die
Beſchuldigung der Fleuri und gegen jede ähnliche
Anklage, daß Dein Herz böſe ſey, in Schutz —
wer anders als Bruno? Alle Schweſtern die einen
Bruder haben, ſind von der Natur auf den brüder-
lichen Schutz angewieſen. Bei ihnen vertritt über-
all der Bruder die Stelle des Vaters, wo es auf
Schutz ankommt: daher zum Theil das peinliche Ge-
fühl der Schweſter, den Bruder furchtſam, ſchwach,
verächtlich oder auch nur lächerlich zu ſehen. Nun
Tante, durch mich ſoll die gute Mathilde keinen
böſen Augenblick mehr haben, das darf ich Dir
verſprechen, denn Hertha kann nie mehr ganz leicht-
ſinnig ſeyn, ſeit ſie mit Dir und Jda lebt. Vor
euch beiden würde ich mich fürchten, wenn ich euch
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ſelben Abend antwortete ſie recht artig und ſo gar

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[166/0174] in Deinem 8ten Jahre aus der Flamme, als die wilde Hertha dem Kamin zu nahe gekommen war, und ſchon ihre Kleider brannten, wer trug ſie bren- nend in ſeinen Armen aufs nächſte Bett, und dämpfte mit ſeinem eignen Körper die Flam- me, indem er ſich ſelbſt verbrannte? Es war Dein ernſter Bruno. Und wer nimmt Dich gegen die Beſchuldigung der Fleuri und gegen jede ähnliche Anklage, daß Dein Herz böſe ſey, in Schutz — wer anders als Bruno? Alle Schweſtern die einen Bruder haben, ſind von der Natur auf den brüder- lichen Schutz angewieſen. Bei ihnen vertritt über- all der Bruder die Stelle des Vaters, wo es auf Schutz ankommt: daher zum Theil das peinliche Ge- fühl der Schweſter, den Bruder furchtſam, ſchwach, verächtlich oder auch nur lächerlich zu ſehen. Nun Tante, durch mich ſoll die gute Mathilde keinen böſen Augenblick mehr haben, das darf ich Dir verſprechen, denn Hertha kann nie mehr ganz leicht- ſinnig ſeyn, ſeit ſie mit Dir und Jda lebt. Vor euch beiden würde ich mich fürchten, wenn ich euch nicht ſo entſetzlich lieb haben müßte. Noch den- ſelben Abend antwortete ſie recht artig und ſo gar

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/174>, abgerufen am 21.11.2024.