Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken! Soll ich euch schonen, soll ich euch pflücken?
Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue, Blühet und glänzet im himmlischen Thaue, Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken, Jda will liebend herunter sich bücken, Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken.
Und wie bist Du denn darauf gekommen, Jda, so etwas zu machen? -- O ich war oft so vergnügt, und ein andermal wieder so wehmüthig, daß ich mich nicht zu lassen wußte, und doch konnte ich's niemanden sagen, wie mirs so seltsam war, selbst Dir nicht, meine allerbeste Tante. Da dacht ich, es müsse den Leuten die gedichtet, wohl so zumuthe gewesen seyn, und da hätten sie sich vielleicht da- mit geholfen, daß sie zum Papier gegriffen. Und so habe ich es versucht, und wenn ich geschrieben, dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun- den, wo ich immerfort schreiben möchte, und dann wieder andere, wo ich immer sinnen muß; Aber sey nicht bange, liebste Tante; Jda wird darum
Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken! Soll ich euch ſchonen, ſoll ich euch pflücken?
Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue, Blühet und glänzet im himmliſchen Thaue, Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken, Jda will liebend herunter ſich bücken, Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken.
Und wie biſt Du denn darauf gekommen, Jda, ſo etwas zu machen? — O ich war oft ſo vergnügt, und ein andermal wieder ſo wehmüthig, daß ich mich nicht zu laſſen wußte, und doch konnte ich’s niemanden ſagen, wie mirs ſo ſeltſam war, ſelbſt Dir nicht, meine allerbeſte Tante. Da dacht ich, es müſſe den Leuten die gedichtet, wohl ſo zumuthe geweſen ſeyn, und da hätten ſie ſich vielleicht da- mit geholfen, daß ſie zum Papier gegriffen. Und ſo habe ich es verſucht, und wenn ich geſchrieben, dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun- den, wo ich immerfort ſchreiben möchte, und dann wieder andere, wo ich immer ſinnen muß; Aber ſey nicht bange, liebſte Tante; Jda wird darum
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Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken!
Soll ich euch ſchonen, ſoll ich euch pflücken?
Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue,
Blühet und glänzet im himmliſchen Thaue,
Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken,
Jda will liebend herunter ſich bücken,
Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken.
Und wie biſt Du denn darauf gekommen, Jda,
ſo etwas zu machen? — O ich war oft ſo vergnügt,
und ein andermal wieder ſo wehmüthig, daß ich
mich nicht zu laſſen wußte, und doch konnte ich’s
niemanden ſagen, wie mirs ſo ſeltſam war, ſelbſt
Dir nicht, meine allerbeſte Tante. Da dacht ich,
es müſſe den Leuten die gedichtet, wohl ſo zumuthe
geweſen ſeyn, und da hätten ſie ſich vielleicht da-
mit geholfen, daß ſie zum Papier gegriffen. Und
ſo habe ich es verſucht, und wenn ich geſchrieben,
dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun-
den, wo ich immerfort ſchreiben möchte, und dann
wieder andere, wo ich immer ſinnen muß; Aber
ſey nicht bange, liebſte Tante; Jda wird darum
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/183>, abgerufen am 21.11.2024.
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