Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.nen Leckerzüngelchen die Suppe hinunter gespielt, ehe es ihm einfällt, daß etwas daran fehlt. Während Seraphine so gar schwach war, wollte der Arzt, daß sie auch jeden Mittag ein Stück Biscuit, in starken Wein getunkt, bekäme. Jhr dies wieder abzugewöhnen, erwarte ich nur die ersten recht reifen Früchte. Wenn sie dann Wein und Biscuit fordert, heißt es nur: du bekommst jetzt etwas viel schöneres, als Biscuit und Wein, du bekommst süße Kirschen u. s. w. Freilich müs- sen wir dann Sorge tragen, daß sie die Kirschen oder Erdbeeren oder Himbeeren zu keiner andern Zeit bekomme, und auch nicht sehe, sonst würde uns dies Mittelchen nicht glücken. Noch hat sie seitdem sich dazu gewöhnt, immer getragen zu werden. Es ist aber selbst zu ihrer völligen Ge- nesung erforderlich, daß sie sich selbst bewege. Und da erfordert es immer neue Kunststücke, sie auf die Beine zu bringen. Bald vergesse ich hier etwas, bald dort, das sie mir holen muß, und das immer ein Paar Schritte weiter von uns. Auch lege ich bald hier, bald da eine Blume [o]der ein Bildchen hin, wonach ihr dann bald gelüstet. nen Leckerzüngelchen die Suppe hinunter geſpielt, ehe es ihm einfällt, daß etwas daran fehlt. Während Seraphine ſo gar ſchwach war, wollte der Arzt, daß ſie auch jeden Mittag ein Stück Biscuit, in ſtarken Wein getunkt, bekäme. Jhr dies wieder abzugewöhnen, erwarte ich nur die erſten recht reifen Früchte. Wenn ſie dann Wein und Biscuit fordert, heißt es nur: du bekommſt jetzt etwas viel ſchöneres, als Biscuit und Wein, du bekommſt ſüße Kirſchen u. ſ. w. Freilich müſ- ſen wir dann Sorge tragen, daß ſie die Kirſchen oder Erdbeeren oder Himbeeren zu keiner andern Zeit bekomme, und auch nicht ſehe, ſonſt würde uns dies Mittelchen nicht glücken. Noch hat ſie ſeitdem ſich dazu gewöhnt, immer getragen zu werden. Es iſt aber ſelbſt zu ihrer völligen Ge- neſung erforderlich, daß ſie ſich ſelbſt bewege. Und da erfordert es immer neue Kunſtſtücke, ſie auf die Beine zu bringen. Bald vergeſſe ich hier etwas, bald dort, das ſie mir holen muß, und das immer ein Paar Schritte weiter von uns. Auch lege ich bald hier, bald da eine Blume [o]der ein Bildchen hin, wonach ihr dann bald gelüſtet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0244" n="236"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> nen Leckerzüngelchen die Suppe hinunter geſpielt,<lb/> ehe es ihm einfällt, daß etwas daran fehlt.<lb/> Während Seraphine ſo gar ſchwach war, wollte<lb/> der Arzt, daß ſie auch jeden Mittag ein Stück<lb/> Biscuit, in ſtarken Wein getunkt, bekäme. Jhr<lb/> dies wieder abzugewöhnen, erwarte ich nur die<lb/> erſten recht reifen Früchte. Wenn ſie dann Wein<lb/> und Biscuit fordert, heißt es nur: du bekommſt<lb/> jetzt etwas viel ſchöneres, als Biscuit und Wein,<lb/> du bekommſt ſüße Kirſchen u. ſ. w. Freilich müſ-<lb/> ſen wir dann Sorge tragen, daß ſie die Kirſchen<lb/> oder Erdbeeren oder Himbeeren zu keiner andern<lb/> Zeit bekomme, und auch nicht ſehe, ſonſt würde<lb/> uns dies Mittelchen nicht glücken. Noch hat ſie<lb/> ſeitdem ſich dazu gewöhnt, immer getragen zu<lb/> werden. Es iſt aber ſelbſt zu ihrer völligen Ge-<lb/> neſung erforderlich, daß ſie ſich ſelbſt bewege.<lb/> Und da erfordert es immer neue Kunſtſtücke, ſie<lb/> auf die Beine zu bringen. Bald vergeſſe ich hier<lb/> etwas, bald dort, das ſie mir holen muß, und<lb/> das immer ein Paar Schritte weiter von uns.<lb/> Auch lege ich bald hier, bald da eine Blume <supplied>o</supplied>der<lb/> ein Bildchen hin, wonach ihr dann bald gelüſtet.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0244]
nen Leckerzüngelchen die Suppe hinunter geſpielt,
ehe es ihm einfällt, daß etwas daran fehlt.
Während Seraphine ſo gar ſchwach war, wollte
der Arzt, daß ſie auch jeden Mittag ein Stück
Biscuit, in ſtarken Wein getunkt, bekäme. Jhr
dies wieder abzugewöhnen, erwarte ich nur die
erſten recht reifen Früchte. Wenn ſie dann Wein
und Biscuit fordert, heißt es nur: du bekommſt
jetzt etwas viel ſchöneres, als Biscuit und Wein,
du bekommſt ſüße Kirſchen u. ſ. w. Freilich müſ-
ſen wir dann Sorge tragen, daß ſie die Kirſchen
oder Erdbeeren oder Himbeeren zu keiner andern
Zeit bekomme, und auch nicht ſehe, ſonſt würde
uns dies Mittelchen nicht glücken. Noch hat ſie
ſeitdem ſich dazu gewöhnt, immer getragen zu
werden. Es iſt aber ſelbſt zu ihrer völligen Ge-
neſung erforderlich, daß ſie ſich ſelbſt bewege.
Und da erfordert es immer neue Kunſtſtücke, ſie
auf die Beine zu bringen. Bald vergeſſe ich hier
etwas, bald dort, das ſie mir holen muß, und
das immer ein Paar Schritte weiter von uns.
Auch lege ich bald hier, bald da eine Blume oder
ein Bildchen hin, wonach ihr dann bald gelüſtet.
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