es außer ihr noch etwas Schönes, sie ist der Weg dazu -- sie führt, wohin eiteles Streben zu gefal- len unmöglich führen kann, sie erschafft, sie wirkt was keine andere Kraft wirken mag. Verzeih' Emma, der Wärme, von der Deine Freundin als- bald ergriffen wird, so wie sie diesem Gegenstande sich nähert. Lebe wohl, ich kann heute nicht weiter!
Drei und siebenzigster Brief.
Noch eine andere Frage soll ich Dir beantwor- ten: "Ob die Leidenschaft der Furcht zu bemei- stern sey, wenn sie unglücklicher Weise eines jun- gen Gemüthes sich so stark bemächtigt, daß es die Besonnenheit darüber einbüßt, die doch einer der treuesten Schutzengel des Weibes seyn soll?" Schwer ist die Aufgabe, meine liebste Emma, aber daß sie gar nicht zu lösen sey, möcht' ich un- gern zugeben. Daß man diese Leidenschaft verhü- ten könne und soll, darüber habe ich mich früher
es außer ihr noch etwas Schönes, ſie iſt der Weg dazu — ſie führt, wohin eiteles Streben zu gefal- len unmöglich führen kann, ſie erſchafft, ſie wirkt was keine andere Kraft wirken mag. Verzeih’ Emma, der Wärme, von der Deine Freundin als- bald ergriffen wird, ſo wie ſie dieſem Gegenſtande ſich nähert. Lebe wohl, ich kann heute nicht weiter!
Drei und ſiebenzigſter Brief.
Noch eine andere Frage ſoll ich Dir beantwor- ten: „Ob die Leidenſchaft der Furcht zu bemei- ſtern ſey, wenn ſie unglücklicher Weiſe eines jun- gen Gemüthes ſich ſo ſtark bemächtigt, daß es die Beſonnenheit darüber einbüßt, die doch einer der treueſten Schutzengel des Weibes ſeyn ſoll?‟ Schwer iſt die Aufgabe, meine liebſte Emma, aber daß ſie gar nicht zu löſen ſey, möcht’ ich un- gern zugeben. Daß man dieſe Leidenſchaft verhü- ten könne und ſoll, darüber habe ich mich früher
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es außer ihr noch etwas Schönes, ſie iſt der Weg
dazu — ſie führt, wohin eiteles Streben zu gefal-
len unmöglich führen kann, ſie erſchafft, ſie wirkt
was keine andere Kraft wirken mag. Verzeih’
Emma, der Wärme, von der Deine Freundin als-
bald ergriffen wird, ſo wie ſie dieſem Gegenſtande
ſich nähert. Lebe wohl, ich kann heute nicht
weiter!
Drei und ſiebenzigſter Brief.
Noch eine andere Frage ſoll ich Dir beantwor-
ten: „Ob die Leidenſchaft der Furcht zu bemei-
ſtern ſey, wenn ſie unglücklicher Weiſe eines jun-
gen Gemüthes ſich ſo ſtark bemächtigt, daß es die
Beſonnenheit darüber einbüßt, die doch einer der
treueſten Schutzengel des Weibes ſeyn ſoll?‟
Schwer iſt die Aufgabe, meine liebſte Emma,
aber daß ſie gar nicht zu löſen ſey, möcht’ ich un-
gern zugeben. Daß man dieſe Leidenſchaft verhü-
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/274>, abgerufen am 21.11.2024.
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