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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Vier und siebenzigster Brief.

Vor kurzem entstand ein plötzlicher Feuerlär-
men in unserer Nähe. Es war Abends schon ein
wenig spät. Wir alle waren sehr erschrocken;
denn auch Deine Freundin kann sich des ersten
Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich stark
und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an-
dern faßten sich, nur Hertha war ganz außer sich,
und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns
alle um Hülfe an. Jhr Zustand ward krampf-
haft heftig, als sie die rothen Flammen hervor-
brechen sah.

Jch schloß unsere besten Sachen, so weit sich
das thun ließ, ruhig zusammen; Bruno half mir
treulich. Die Schlüssel bewahrte ich so, daß je-
des von ihnen sah, wo ich sie hinthat. Dann
ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät-
ten, zurecht legen, damit wir sogleich, wie die
Gefahr näher käme, das Haus verlassen könnten,
um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht
zu nehmen. Als alles für den Augenblick der



Vier und ſiebenzigſter Brief.

Vor kurzem entſtand ein plötzlicher Feuerlär-
men in unſerer Nähe. Es war Abends ſchon ein
wenig ſpät. Wir alle waren ſehr erſchrocken;
denn auch Deine Freundin kann ſich des erſten
Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich ſtark
und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an-
dern faßten ſich, nur Hertha war ganz außer ſich,
und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns
alle um Hülfe an. Jhr Zuſtand ward krampf-
haft heftig, als ſie die rothen Flammen hervor-
brechen ſah.

Jch ſchloß unſere beſten Sachen, ſo weit ſich
das thun ließ, ruhig zuſammen; Bruno half mir
treulich. Die Schlüſſel bewahrte ich ſo, daß je-
des von ihnen ſah, wo ich ſie hinthat. Dann
ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät-
ten, zurecht legen, damit wir ſogleich, wie die
Gefahr näher käme, das Haus verlaſſen könnten,
um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht
zu nehmen. Als alles für den Augenblick der

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[271/0279] Vier und ſiebenzigſter Brief. Vor kurzem entſtand ein plötzlicher Feuerlär- men in unſerer Nähe. Es war Abends ſchon ein wenig ſpät. Wir alle waren ſehr erſchrocken; denn auch Deine Freundin kann ſich des erſten Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich ſtark und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an- dern faßten ſich, nur Hertha war ganz außer ſich, und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns alle um Hülfe an. Jhr Zuſtand ward krampf- haft heftig, als ſie die rothen Flammen hervor- brechen ſah. Jch ſchloß unſere beſten Sachen, ſo weit ſich das thun ließ, ruhig zuſammen; Bruno half mir treulich. Die Schlüſſel bewahrte ich ſo, daß je- des von ihnen ſah, wo ich ſie hinthat. Dann ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät- ten, zurecht legen, damit wir ſogleich, wie die Gefahr näher käme, das Haus verlaſſen könnten, um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht zu nehmen. Als alles für den Augenblick der

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/279>, abgerufen am 21.11.2024.