Vor kurzem entstand ein plötzlicher Feuerlär- men in unserer Nähe. Es war Abends schon ein wenig spät. Wir alle waren sehr erschrocken; denn auch Deine Freundin kann sich des ersten Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich stark und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an- dern faßten sich, nur Hertha war ganz außer sich, und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns alle um Hülfe an. Jhr Zustand ward krampf- haft heftig, als sie die rothen Flammen hervor- brechen sah.
Jch schloß unsere besten Sachen, so weit sich das thun ließ, ruhig zusammen; Bruno half mir treulich. Die Schlüssel bewahrte ich so, daß je- des von ihnen sah, wo ich sie hinthat. Dann ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät- ten, zurecht legen, damit wir sogleich, wie die Gefahr näher käme, das Haus verlassen könnten, um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht zu nehmen. Als alles für den Augenblick der
Vier und ſiebenzigſter Brief.
Vor kurzem entſtand ein plötzlicher Feuerlär- men in unſerer Nähe. Es war Abends ſchon ein wenig ſpät. Wir alle waren ſehr erſchrocken; denn auch Deine Freundin kann ſich des erſten Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich ſtark und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an- dern faßten ſich, nur Hertha war ganz außer ſich, und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns alle um Hülfe an. Jhr Zuſtand ward krampf- haft heftig, als ſie die rothen Flammen hervor- brechen ſah.
Jch ſchloß unſere beſten Sachen, ſo weit ſich das thun ließ, ruhig zuſammen; Bruno half mir treulich. Die Schlüſſel bewahrte ich ſo, daß je- des von ihnen ſah, wo ich ſie hinthat. Dann ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät- ten, zurecht legen, damit wir ſogleich, wie die Gefahr näher käme, das Haus verlaſſen könnten, um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht zu nehmen. Als alles für den Augenblick der
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0279"n="271"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Vier und ſiebenzigſter Brief</hi>.</head><lb/><p>Vor kurzem entſtand ein plötzlicher Feuerlär-<lb/>
men in unſerer Nähe. Es war Abends ſchon ein<lb/>
wenig ſpät. Wir alle waren ſehr erſchrocken;<lb/>
denn auch Deine Freundin kann ſich des erſten<lb/>
Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich ſtark<lb/>
und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an-<lb/>
dern faßten ſich, nur Hertha war ganz außer ſich,<lb/>
und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns<lb/>
alle um Hülfe an. Jhr Zuſtand ward krampf-<lb/>
haft heftig, als ſie die rothen Flammen hervor-<lb/>
brechen ſah.</p><lb/><p>Jch ſchloß unſere beſten Sachen, ſo weit ſich<lb/>
das thun ließ, ruhig zuſammen; Bruno half mir<lb/>
treulich. Die Schlüſſel bewahrte ich ſo, daß je-<lb/>
des von ihnen ſah, wo ich ſie hinthat. Dann<lb/>
ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät-<lb/>
ten, zurecht legen, damit wir ſogleich, wie die<lb/>
Gefahr näher käme, das Haus verlaſſen könnten,<lb/>
um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht<lb/>
zu nehmen. Als alles für den Augenblick der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[271/0279]
Vier und ſiebenzigſter Brief.
Vor kurzem entſtand ein plötzlicher Feuerlär-
men in unſerer Nähe. Es war Abends ſchon ein
wenig ſpät. Wir alle waren ſehr erſchrocken;
denn auch Deine Freundin kann ſich des erſten
Schreckens nicht erwehren. Jch machte mich ſtark
und bat die Kinder, ruhig zu bleiben. Die an-
dern faßten ſich, nur Hertha war ganz außer ſich,
und flehte Himmel und Erde, Bruno und uns
alle um Hülfe an. Jhr Zuſtand ward krampf-
haft heftig, als ſie die rothen Flammen hervor-
brechen ſah.
Jch ſchloß unſere beſten Sachen, ſo weit ſich
das thun ließ, ruhig zuſammen; Bruno half mir
treulich. Die Schlüſſel bewahrte ich ſo, daß je-
des von ihnen ſah, wo ich ſie hinthat. Dann
ließ ich alles, was wir zur Flucht bedurft hät-
ten, zurecht legen, damit wir ſogleich, wie die
Gefahr näher käme, das Haus verlaſſen könnten,
um bei entfernt wohnenden Bekannten Zuflucht
zu nehmen. Als alles für den Augenblick der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/279>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.