Stufen des kindlichen Alters hinüber- geführt. So konnte also in diesem Boden der Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern, und sie kannten die Laune sammt allen freudenstö- renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen. Denn daß Deine Freundin sich selbst aufs beste dagegen zu verwahren strebte, versteht sich. Nichts wirkt so leicht auf junge Seelen, als die Lau- nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer- störung ihres Paradieses abhängt. Die Mut- ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer Kinder verbietend zertritt, und was sie gestern gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta- delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie dürfte die sich verwundern, wenn die Kleinen sich untereinander ihr spielendes Leben zum finstern Ernst machen? Ein gesundes kräftiges Kind im heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann nicht launenhaft werden.
Was den Leichtsinn betrifft, so hängt er mit dem schönsten Vorrechte der frühern Jugend so innig zusammen, ja ist so sehr dieses selber, daß
Stufen des kindlichen Alters hinüber- geführt. So konnte alſo in dieſem Boden der Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern, und ſie kannten die Laune ſammt allen freudenſtö- renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen. Denn daß Deine Freundin ſich ſelbſt aufs beſte dagegen zu verwahren ſtrebte, verſteht ſich. Nichts wirkt ſo leicht auf junge Seelen, als die Lau- nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer- ſtörung ihres Paradieſes abhängt. Die Mut- ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer Kinder verbietend zertritt, und was ſie geſtern gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta- delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie dürfte die ſich verwundern, wenn die Kleinen ſich untereinander ihr ſpielendes Leben zum finſtern Ernſt machen? Ein geſundes kräftiges Kind im heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann nicht launenhaft werden.
Was den Leichtſinn betrifft, ſo hängt er mit dem ſchönſten Vorrechte der frühern Jugend ſo innig zuſammen, ja iſt ſo ſehr dieſes ſelber, daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0287"n="279"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Stufen des kindlichen Alters hinüber-<lb/>
geführt</hi>. So konnte alſo in dieſem Boden der<lb/>
Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern,<lb/>
und ſie kannten die Laune ſammt allen freudenſtö-<lb/>
renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen.<lb/>
Denn daß Deine Freundin ſich ſelbſt aufs beſte<lb/>
dagegen zu verwahren ſtrebte, verſteht ſich. Nichts<lb/>
wirkt ſo leicht auf junge Seelen, als die Lau-<lb/>
nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer-<lb/>ſtörung ihres Paradieſes abhängt. Die Mut-<lb/>
ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer<lb/>
Kinder verbietend zertritt, und was ſie geſtern<lb/>
gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta-<lb/>
delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie<lb/>
dürfte die ſich verwundern, wenn die Kleinen ſich<lb/>
untereinander ihr ſpielendes Leben zum finſtern<lb/>
Ernſt machen? Ein geſundes kräftiges Kind im<lb/>
heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann<lb/>
nicht launenhaft werden.</p><lb/><p>Was den Leichtſinn betrifft, ſo hängt er mit<lb/>
dem ſchönſten Vorrechte der frühern Jugend ſo<lb/>
innig zuſammen, ja iſt ſo ſehr dieſes ſelber, daß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[279/0287]
Stufen des kindlichen Alters hinüber-
geführt. So konnte alſo in dieſem Boden der
Saame des feindlichen Egoismus nicht wuchern,
und ſie kannten die Laune ſammt allen freudenſtö-
renden Wirkungen nur aus fremden Erzählungen.
Denn daß Deine Freundin ſich ſelbſt aufs beſte
dagegen zu verwahren ſtrebte, verſteht ſich. Nichts
wirkt ſo leicht auf junge Seelen, als die Lau-
nen derer, von denen die Blüthe oder die Zer-
ſtörung ihres Paradieſes abhängt. Die Mut-
ter, welche launenhaft die kleinen Freuden ihrer
Kinder verbietend zertritt, und was ſie geſtern
gut hieß, weil ihr Horizont heiter war, heute ta-
delt, weil heute Regenwetter eingetreten: wie
dürfte die ſich verwundern, wenn die Kleinen ſich
untereinander ihr ſpielendes Leben zum finſtern
Ernſt machen? Ein geſundes kräftiges Kind im
heitern Klima der ruhigen Liebe aufgeblühet, kann
nicht launenhaft werden.
Was den Leichtſinn betrifft, ſo hängt er mit
dem ſchönſten Vorrechte der frühern Jugend ſo
innig zuſammen, ja iſt ſo ſehr dieſes ſelber, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/287>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.