einem schönen Orte bleibt, wo sie unsere Rückkehr erwarten.
Nur halb würde ich die Freude genießen die un- ser wartet, wenn ich Seraphine hier zurückließe. Jn wenigen Wochen gehet unser Zug vor sich. Al- les rüstet sich dazu; ausgenommen Jda, die an nichts denkt, als mit Woldemar zu seyn. Die andern haben still Jda's Antheil an den Geschäften übernommen, um sie ganz der neuen Freude zu überlassen. Abends 6 Uhr, wenn wir nicht spa- zieren, sind wir alle in einen Kreis um die beiden gereis'ten Leute versammelt, und da müssen sie wech- selsweise erzählen. Durch die Art ihrer Darstel- lung wissen beide das Verlangen der Gesellschaft so lebendig zu erhalten, daß wir den Abend kaum erwarten können. Nicht sowohl was der Reisende sieht, sondern wie er es sieht, macht seine Reise zu etwas. Das wissen wir freilich [all]e. Aber ich dächte, ich wüßte das jetzt besser wie sonst. Wie viele Beschreibungen der Schweiz, wie sie von Rei- senden nach allen Richtungen durchkreuzt wurde, haben wir gelesen! Und jetzt, da ich diese beiden
einem ſchönen Orte bleibt, wo ſie unſere Rückkehr erwarten.
Nur halb würde ich die Freude genießen die un- ſer wartet, wenn ich Seraphine hier zurückließe. Jn wenigen Wochen gehet unſer Zug vor ſich. Al- les rüſtet ſich dazu; ausgenommen Jda, die an nichts denkt, als mit Woldemar zu ſeyn. Die andern haben ſtill Jda’s Antheil an den Geſchäften übernommen, um ſie ganz der neuen Freude zu überlaſſen. Abends 6 Uhr, wenn wir nicht ſpa- zieren, ſind wir alle in einen Kreis um die beiden gereiſ’ten Leute verſammelt, und da müſſen ſie wech- ſelsweiſe erzählen. Durch die Art ihrer Darſtel- lung wiſſen beide das Verlangen der Geſellſchaft ſo lebendig zu erhalten, daß wir den Abend kaum erwarten können. Nicht ſowohl was der Reiſende ſieht, ſondern wie er es ſieht, macht ſeine Reiſe zu etwas. Das wiſſen wir freilich [all]e. Aber ich dächte, ich wüßte das jetzt beſſer wie ſonſt. Wie viele Beſchreibungen der Schweiz, wie ſie von Rei- ſenden nach allen Richtungen durchkreuzt wurde, haben wir geleſen! Und jetzt, da ich dieſe beiden
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einem ſchönen Orte bleibt, wo ſie unſere Rückkehr
erwarten.
Nur halb würde ich die Freude genießen die un-
ſer wartet, wenn ich Seraphine hier zurückließe.
Jn wenigen Wochen gehet unſer Zug vor ſich. Al-
les rüſtet ſich dazu; ausgenommen Jda, die an
nichts denkt, als mit Woldemar zu ſeyn. Die
andern haben ſtill Jda’s Antheil an den Geſchäften
übernommen, um ſie ganz der neuen Freude zu
überlaſſen. Abends 6 Uhr, wenn wir nicht ſpa-
zieren, ſind wir alle in einen Kreis um die beiden
gereiſ’ten Leute verſammelt, und da müſſen ſie wech-
ſelsweiſe erzählen. Durch die Art ihrer Darſtel-
lung wiſſen beide das Verlangen der Geſellſchaft
ſo lebendig zu erhalten, daß wir den Abend kaum
erwarten können. Nicht ſowohl was der Reiſende
ſieht, ſondern wie er es ſieht, macht ſeine Reiſe
zu etwas. Das wiſſen wir freilich alle. Aber ich
dächte, ich wüßte das jetzt beſſer wie ſonſt. Wie
viele Beſchreibungen der Schweiz, wie ſie von Rei-
ſenden nach allen Richtungen durchkreuzt wurde,
haben wir geleſen! Und jetzt, da ich dieſe beiden
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/296>, abgerufen am 21.11.2024.
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