Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.der ist fort, Clärchen auch, Jda ist für sie so gut als abwesend. Jch gebrauche diese Veranlassung, sie in sich selbst mehr hineinzuführen, und sie auf- merksam zu machen, wodurch sie ihre innere Leere ausfüllen könnte. Wenn Hertha jetzt nicht ver- ständig würde, und nicht Stetigkeit zum Aushar- ren bei irgend einer Sache bekä[m]e, so wäre das sehr schlimm, da sich ihr jetzt das Gefühl so stark aufdringt, wie wenig es tauge wenn man die Lu- stigmacherey als Beruf treibt. Ja, Tante, ich fühle, daß Du Recht hast, sagte sie gestern, tadle mich nur immer, ich bin eine gar leere Haut, und habe mich selbst so wie ich da bin, am wenigsten gern. Mathilden habe ich aufgegeben, täglich ein Paar Stunden mit ihr zu lesen. Dann gebe ich ihr eine von meinen Morgenstunden, in welcher ich Goldshmit's Geschichte der Römer mit ihr lese. Nach jeder Lekzion muß sie mir einen Aufsatz ma- chen, den ich nachsehe und korrigire. Dieses Stu- dium scheint ihr Freude zu geben. Auch Jda und Mathilde hatten im vorigen Jahre große Lust daran. So lange bis ein Buch existirt, das junge Mädchen unter dreizehn Jahren zur Vor- der iſt fort, Clärchen auch, Jda iſt für ſie ſo gut als abweſend. Jch gebrauche dieſe Veranlaſſung, ſie in ſich ſelbſt mehr hineinzuführen, und ſie auf- merkſam zu machen, wodurch ſie ihre innere Leere ausfüllen könnte. Wenn Hertha jetzt nicht ver- ſtändig würde, und nicht Stetigkeit zum Aushar- ren bei irgend einer Sache bekä[m]e, ſo wäre das ſehr ſchlimm, da ſich ihr jetzt das Gefühl ſo ſtark aufdringt, wie wenig es tauge wenn man die Lu- ſtigmacherey als Beruf treibt. Ja, Tante, ich fühle, daß Du Recht haſt, ſagte ſie geſtern, tadle mich nur immer, ich bin eine gar leere Haut, und habe mich ſelbſt ſo wie ich da bin, am wenigſten gern. Mathilden habe ich aufgegeben, täglich ein Paar Stunden mit ihr zu leſen. Dann gebe ich ihr eine von meinen Morgenſtunden, in welcher ich Goldſhmit’s Geſchichte der Römer mit ihr leſe. Nach jeder Lekzion muß ſie mir einen Aufſatz ma- chen, den ich nachſehe und korrigire. Dieſes Stu- dium ſcheint ihr Freude zu geben. Auch Jda und Mathilde hatten im vorigen Jahre große Luſt daran. So lange bis ein Buch exiſtirt, das junge Mädchen unter dreizehn Jahren zur Vor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0343" n="335"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> der iſt fort, Clärchen auch, Jda iſt für ſie ſo gut<lb/> als abweſend. Jch gebrauche dieſe Veranlaſſung,<lb/> ſie in ſich ſelbſt mehr hineinzuführen, und ſie auf-<lb/> merkſam zu machen, wodurch ſie ihre innere Leere<lb/> ausfüllen könnte. Wenn Hertha jetzt nicht ver-<lb/> ſtändig würde, und nicht Stetigkeit zum Aushar-<lb/> ren bei irgend einer Sache bekä<supplied>m</supplied>e, ſo wäre das<lb/> ſehr ſchlimm, da ſich ihr jetzt das Gefühl ſo ſtark<lb/> aufdringt, wie wenig es tauge wenn man die Lu-<lb/> ſtigmacherey als Beruf treibt. Ja, Tante, ich fühle,<lb/> daß Du Recht haſt, ſagte ſie geſtern, tadle mich<lb/> nur immer, ich bin eine gar leere Haut, und habe<lb/> mich ſelbſt ſo wie ich da bin, am wenigſten gern.<lb/> Mathilden habe ich aufgegeben, täglich ein Paar<lb/> Stunden mit ihr zu leſen. Dann gebe ich ihr<lb/> eine von meinen Morgenſtunden, in welcher ich<lb/> Goldſhmit’s Geſchichte der Römer mit ihr leſe.<lb/> Nach jeder Lekzion muß ſie mir einen Aufſatz ma-<lb/> chen, den ich nachſehe und korrigire. Dieſes Stu-<lb/> dium ſcheint ihr Freude zu geben. Auch Jda und<lb/> Mathilde hatten im vorigen Jahre große Luſt<lb/> daran. So lange bis ein Buch exiſtirt, das<lb/> junge Mädchen unter dreizehn Jahren zur Vor-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [335/0343]
der iſt fort, Clärchen auch, Jda iſt für ſie ſo gut
als abweſend. Jch gebrauche dieſe Veranlaſſung,
ſie in ſich ſelbſt mehr hineinzuführen, und ſie auf-
merkſam zu machen, wodurch ſie ihre innere Leere
ausfüllen könnte. Wenn Hertha jetzt nicht ver-
ſtändig würde, und nicht Stetigkeit zum Aushar-
ren bei irgend einer Sache bekäme, ſo wäre das
ſehr ſchlimm, da ſich ihr jetzt das Gefühl ſo ſtark
aufdringt, wie wenig es tauge wenn man die Lu-
ſtigmacherey als Beruf treibt. Ja, Tante, ich fühle,
daß Du Recht haſt, ſagte ſie geſtern, tadle mich
nur immer, ich bin eine gar leere Haut, und habe
mich ſelbſt ſo wie ich da bin, am wenigſten gern.
Mathilden habe ich aufgegeben, täglich ein Paar
Stunden mit ihr zu leſen. Dann gebe ich ihr
eine von meinen Morgenſtunden, in welcher ich
Goldſhmit’s Geſchichte der Römer mit ihr leſe.
Nach jeder Lekzion muß ſie mir einen Aufſatz ma-
chen, den ich nachſehe und korrigire. Dieſes Stu-
dium ſcheint ihr Freude zu geben. Auch Jda und
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