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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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mich herab. Oft muß ich weinen, wenn ich den-
ke, wie sie so gut ist, daß ich es nicht auch bin. --
O du bist wohl gut, Cläre, sagte Mathilde, du
bist frömmer, als ich; aber ich bin froh, daß ich
euch nur recht von Herzen gut seyn kann. Nicht
wahr, Cläre, das ist auch schon etwas von der
rauhen Mathilde? sie wird schon noch besser
werden. --

Anch hat Mathilde wirklich schon viel über ihre
rauhe Natur gewonnen. Sonst konnte sie Jda
und Clärchen oft sehr hart anfahren; aber diese
Härte hat sich besonders seit der Reise um vieles
gemildert. Jedermann wendete sich unterwegs
zu Jda und Clärchen. Mathildens stolze Miene
und ihr harter Ton entfernte die Leute von ihr.
Fast nie sprach ein Armer sie an, und wer irgend
etwas von uns begehrte, selbst unter unsern Do-
mestiken, wendete sich immer zunächst an Jda, die
aller Welt Fürsprecherin ist. Dies hat Mathilde
von selbst bemerkt, und selbst den Grund gefun-
den: ich brauchte zu ihren Bemerkungen nur we-
nig hinzuzuthun. Deine Kälte gegen sie scheint
tief und schmerzlich auf sie eingedrungen zu seyn.

mich herab. Oft muß ich weinen, wenn ich den-
ke, wie ſie ſo gut iſt, daß ich es nicht auch bin. —
O du biſt wohl gut, Cläre, ſagte Mathilde, du
biſt frömmer, als ich; aber ich bin froh, daß ich
euch nur recht von Herzen gut ſeyn kann. Nicht
wahr, Cläre, das iſt auch ſchon etwas von der
rauhen Mathilde? ſie wird ſchon noch beſſer
werden. —

Anch hat Mathilde wirklich ſchon viel über ihre
rauhe Natur gewonnen. Sonſt konnte ſie Jda
und Clärchen oft ſehr hart anfahren; aber dieſe
Härte hat ſich beſonders ſeit der Reiſe um vieles
gemildert. Jedermann wendete ſich unterwegs
zu Jda und Clärchen. Mathildens ſtolze Miene
und ihr harter Ton entfernte die Leute von ihr.
Faſt nie ſprach ein Armer ſie an, und wer irgend
etwas von uns begehrte, ſelbſt unter unſern Do-
meſtiken, wendete ſich immer zunächſt an Jda, die
aller Welt Fürſprecherin iſt. Dies hat Mathilde
von ſelbſt bemerkt, und ſelbſt den Grund gefun-
den: ich brauchte zu ihren Bemerkungen nur we-
nig hinzuzuthun. Deine Kälte gegen ſie ſcheint
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[35/0043] mich herab. Oft muß ich weinen, wenn ich den- ke, wie ſie ſo gut iſt, daß ich es nicht auch bin. — O du biſt wohl gut, Cläre, ſagte Mathilde, du biſt frömmer, als ich; aber ich bin froh, daß ich euch nur recht von Herzen gut ſeyn kann. Nicht wahr, Cläre, das iſt auch ſchon etwas von der rauhen Mathilde? ſie wird ſchon noch beſſer werden. — Anch hat Mathilde wirklich ſchon viel über ihre rauhe Natur gewonnen. Sonſt konnte ſie Jda und Clärchen oft ſehr hart anfahren; aber dieſe Härte hat ſich beſonders ſeit der Reiſe um vieles gemildert. Jedermann wendete ſich unterwegs zu Jda und Clärchen. Mathildens ſtolze Miene und ihr harter Ton entfernte die Leute von ihr. Faſt nie ſprach ein Armer ſie an, und wer irgend etwas von uns begehrte, ſelbſt unter unſern Do- meſtiken, wendete ſich immer zunächſt an Jda, die aller Welt Fürſprecherin iſt. Dies hat Mathilde von ſelbſt bemerkt, und ſelbſt den Grund gefun- den: ich brauchte zu ihren Bemerkungen nur we- nig hinzuzuthun. Deine Kälte gegen ſie ſcheint tief und ſchmerzlich auf ſie eingedrungen zu ſeyn.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/43>, abgerufen am 21.11.2024.