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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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bei mir melden. Seine kleine Schwester Hertha
begleitete ihn, und seine Bitte, das Kind bei
mir zu behalten, war so rührend, daß ich nicht
zu widerstehen vermochte. Jch versprach ihm, es
wenigstens zu versuchen, ob sie sich in unsers Hau-
ses Ordnung leicht finden könne, und der Gang
unsers Lebens durch sie nicht zu sehr gestört würde.
Die Kleine ist 11 Jahre alt, und hat seit 4 Jah-
ren keine Mutter mehr. Da ist sie nun im höch-
sten Eigenwillen aufgewachsen, hat den Vater
wie das Hausgesinde beherrscht und gequält, und
gehorcht niemand, als dem Bruder, aber auch
dem ungern und mit Murren. Sie scheint nie-
mand und nichts zu lieben, als sich selbst, und
ob ihre Jndolenz oder ihr Starrsinn größer sey,
ist für mich noch unentschieden. Bruno war von
unsern Kindern entzückt, und meynt, wenn Her-
tha nur um mich und mit diesen Kindern seyn
dürfte, müsse sie anders werden.

Er hat es vom alten Vater halb ertrotzt, daß
er das Mädchen von sich läßt, welches sein Aug-
apfel ist, so unliebenswürdig sich das sonderbare

bei mir melden. Seine kleine Schweſter Hertha
begleitete ihn, und ſeine Bitte, das Kind bei
mir zu behalten, war ſo rührend, daß ich nicht
zu widerſtehen vermochte. Jch verſprach ihm, es
wenigſtens zu verſuchen, ob ſie ſich in unſers Hau-
ſes Ordnung leicht finden könne, und der Gang
unſers Lebens durch ſie nicht zu ſehr geſtört würde.
Die Kleine iſt 11 Jahre alt, und hat ſeit 4 Jah-
ren keine Mutter mehr. Da iſt ſie nun im höch-
ſten Eigenwillen aufgewachſen, hat den Vater
wie das Hausgeſinde beherrſcht und gequält, und
gehorcht niemand, als dem Bruder, aber auch
dem ungern und mit Murren. Sie ſcheint nie-
mand und nichts zu lieben, als ſich ſelbſt, und
ob ihre Jndolenz oder ihr Starrſinn größer ſey,
iſt für mich noch unentſchieden. Bruno war von
unſern Kindern entzückt, und meynt, wenn Her-
tha nur um mich und mit dieſen Kindern ſeyn
dürfte, müſſe ſie anders werden.

Er hat es vom alten Vater halb ertrotzt, daß
er das Mädchen von ſich läßt, welches ſein Aug-
apfel iſt, ſo unliebenswürdig ſich das ſonderbare

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[87/0095] bei mir melden. Seine kleine Schweſter Hertha begleitete ihn, und ſeine Bitte, das Kind bei mir zu behalten, war ſo rührend, daß ich nicht zu widerſtehen vermochte. Jch verſprach ihm, es wenigſtens zu verſuchen, ob ſie ſich in unſers Hau- ſes Ordnung leicht finden könne, und der Gang unſers Lebens durch ſie nicht zu ſehr geſtört würde. Die Kleine iſt 11 Jahre alt, und hat ſeit 4 Jah- ren keine Mutter mehr. Da iſt ſie nun im höch- ſten Eigenwillen aufgewachſen, hat den Vater wie das Hausgeſinde beherrſcht und gequält, und gehorcht niemand, als dem Bruder, aber auch dem ungern und mit Murren. Sie ſcheint nie- mand und nichts zu lieben, als ſich ſelbſt, und ob ihre Jndolenz oder ihr Starrſinn größer ſey, iſt für mich noch unentſchieden. Bruno war von unſern Kindern entzückt, und meynt, wenn Her- tha nur um mich und mit dieſen Kindern ſeyn dürfte, müſſe ſie anders werden. Er hat es vom alten Vater halb ertrotzt, daß er das Mädchen von ſich läßt, welches ſein Aug- apfel iſt, ſo unliebenswürdig ſich das ſonderbare

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/95>, abgerufen am 23.11.2024.