Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.18. Ein frommer Bettler stand an Krämerladenwand, Hätt' einer Gabe noth, doch streckte nicht die Hand. Der geiz'ge Krämer denkt, sein Schweigen sei ein Heischen; In seinem Kram gestört, begann er aufzukreischen. Er hatt' in manchem Sack zu wühlen und zu kramen, Und sprach zum Bettler barsch: Geh hin in Gottes Namen! Der Bettler sprach: Ich geh' in Gottes Namen leicht, Da mir zum Hindernis kein schwerer Pack gereicht. Du aber, der du hast so manchen Sack zu tragen, Wie gehst du, wann man wird des Aufbruchs Trommel schlagen? Von diesem Worte ward des Krämers Herz getroffen, Dem Bettler gieng er nach, und ließ den Laden offen. Er nahm den Bettelstab und wanderte durchs Leben. So gute Lehren kann ein Bettler Krämern geben. 18. Ein frommer Bettler ſtand an Kraͤmerladenwand, Haͤtt' einer Gabe noth, doch ſtreckte nicht die Hand. Der geiz'ge Kraͤmer denkt, ſein Schweigen ſei ein Heiſchen; In ſeinem Kram geſtoͤrt, begann er aufzukreiſchen. Er hatt' in manchem Sack zu wuͤhlen und zu kramen, Und ſprach zum Bettler barſch: Geh hin in Gottes Namen! Der Bettler ſprach: Ich geh' in Gottes Namen leicht, Da mir zum Hindernis kein ſchwerer Pack gereicht. Du aber, der du haſt ſo manchen Sack zu tragen, Wie gehſt du, wann man wird des Aufbruchs Trommel ſchlagen? Von dieſem Worte ward des Kraͤmers Herz getroffen, Dem Bettler gieng er nach, und ließ den Laden offen. Er nahm den Bettelſtab und wanderte durchs Leben. So gute Lehren kann ein Bettler Kraͤmern geben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0114" n="104"/> <div n="2"> <head>18.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein frommer Bettler ſtand an Kraͤmerladenwand,</l><lb/> <l>Haͤtt' einer Gabe noth, doch ſtreckte nicht die Hand.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der geiz'ge Kraͤmer denkt, ſein Schweigen ſei ein Heiſchen;</l><lb/> <l>In ſeinem Kram geſtoͤrt, begann er aufzukreiſchen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er hatt' in manchem Sack zu wuͤhlen und zu kramen,</l><lb/> <l>Und ſprach zum Bettler barſch: Geh hin in Gottes Namen!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Bettler ſprach: Ich geh' in Gottes Namen leicht,</l><lb/> <l>Da mir zum Hindernis kein ſchwerer Pack gereicht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Du aber, der du haſt ſo manchen Sack zu tragen,</l><lb/> <l>Wie gehſt du, wann man wird des Aufbruchs Trommel ſchlagen?</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Von dieſem Worte ward des Kraͤmers Herz getroffen,</l><lb/> <l>Dem Bettler gieng er nach, und ließ den Laden offen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Er nahm den Bettelſtab und wanderte durchs Leben.</l><lb/> <l>So gute Lehren kann ein Bettler Kraͤmern geben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0114]
18.
Ein frommer Bettler ſtand an Kraͤmerladenwand,
Haͤtt' einer Gabe noth, doch ſtreckte nicht die Hand.
Der geiz'ge Kraͤmer denkt, ſein Schweigen ſei ein Heiſchen;
In ſeinem Kram geſtoͤrt, begann er aufzukreiſchen.
Er hatt' in manchem Sack zu wuͤhlen und zu kramen,
Und ſprach zum Bettler barſch: Geh hin in Gottes Namen!
Der Bettler ſprach: Ich geh' in Gottes Namen leicht,
Da mir zum Hindernis kein ſchwerer Pack gereicht.
Du aber, der du haſt ſo manchen Sack zu tragen,
Wie gehſt du, wann man wird des Aufbruchs Trommel ſchlagen?
Von dieſem Worte ward des Kraͤmers Herz getroffen,
Dem Bettler gieng er nach, und ließ den Laden offen.
Er nahm den Bettelſtab und wanderte durchs Leben.
So gute Lehren kann ein Bettler Kraͤmern geben.
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