Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Nichts hör' ich von der Welt, was mich verlocken kann, Neu auf das Meer zu gehn, da ich zum Port entrann. Ich sehe trüb', und muß mir leider es gestehn: Das Alter ist es nicht, was mich macht trübe sehn. Ein unzufriedenes Geschlecht mit Zorngeberden Will ändern seine Welt, und selbst nicht anders werden. Wo nicht ein äußrer tobt, ein innerlicher Kampf, Wird selbst des Lebens Lustgeberd' ein Todeskrampf. Den Wehen des Geschicks ist Fehlgeburt entrungen, Vom Drang des Augenblicks Ruh und Genuß verschlungen. Ich weiß nicht, wo sich wird die Wissenschaft verkriechen, Die Poesie doch wird unzweifelhaft versiechen. Wo sich genüberstehn Unglaub' und Ueberglauben, Will dir die Seele der, und der die Sinne rauben. Die Sinne raubt er nicht, doch hat er sie verdumpft; Die Seele raubt er nicht, doch hat er sie versumpft. In diesem Sündenpfuhl, in diesen Jammerfrösten, Kann für die Welt mich nur ein neuer Glaube trösten; Nichts hoͤr' ich von der Welt, was mich verlocken kann, Neu auf das Meer zu gehn, da ich zum Port entrann. Ich ſehe truͤb', und muß mir leider es geſtehn: Das Alter iſt es nicht, was mich macht truͤbe ſehn. Ein unzufriedenes Geſchlecht mit Zorngeberden Will aͤndern ſeine Welt, und ſelbſt nicht anders werden. Wo nicht ein aͤußrer tobt, ein innerlicher Kampf, Wird ſelbſt des Lebens Luſtgeberd' ein Todeskrampf. Den Wehen des Geſchicks iſt Fehlgeburt entrungen, Vom Drang des Augenblicks Ruh und Genuß verſchlungen. Ich weiß nicht, wo ſich wird die Wiſſenſchaft verkriechen, Die Poeſie doch wird unzweifelhaft verſiechen. Wo ſich genuͤberſtehn Unglaub' und Ueberglauben, Will dir die Seele der, und der die Sinne rauben. Die Sinne raubt er nicht, doch hat er ſie verdumpft; Die Seele raubt er nicht, doch hat er ſie verſumpft. In dieſem Suͤndenpfuhl, in dieſen Jammerfroͤſten, Kann fuͤr die Welt mich nur ein neuer Glaube troͤſten; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0130" n="120"/> <lg n="4"> <l>Nichts hoͤr' ich von der Welt, was mich verlocken kann,</l><lb/> <l>Neu auf das Meer zu gehn, da ich zum Port entrann.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ich ſehe truͤb', und muß mir leider es geſtehn:</l><lb/> <l>Das Alter iſt es nicht, was mich macht truͤbe ſehn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ein unzufriedenes Geſchlecht mit Zorngeberden</l><lb/> <l>Will aͤndern ſeine Welt, und ſelbſt nicht anders werden.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wo nicht ein aͤußrer tobt, ein innerlicher Kampf,</l><lb/> <l>Wird ſelbſt des Lebens Luſtgeberd' ein Todeskrampf.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Den Wehen des Geſchicks iſt Fehlgeburt entrungen,</l><lb/> <l>Vom Drang des Augenblicks Ruh und Genuß verſchlungen.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ich weiß nicht, wo ſich wird die Wiſſenſchaft verkriechen,</l><lb/> <l>Die Poeſie doch wird unzweifelhaft verſiechen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Wo ſich genuͤberſtehn Unglaub' und Ueberglauben,</l><lb/> <l>Will dir die Seele der, und der die Sinne rauben.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Die Sinne raubt er nicht, doch hat er ſie verdumpft;</l><lb/> <l>Die Seele raubt er nicht, doch hat er ſie verſumpft.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>In dieſem Suͤndenpfuhl, in dieſen Jammerfroͤſten,</l><lb/> <l>Kann fuͤr die Welt mich nur ein neuer Glaube troͤſten;</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0130]
Nichts hoͤr' ich von der Welt, was mich verlocken kann,
Neu auf das Meer zu gehn, da ich zum Port entrann.
Ich ſehe truͤb', und muß mir leider es geſtehn:
Das Alter iſt es nicht, was mich macht truͤbe ſehn.
Ein unzufriedenes Geſchlecht mit Zorngeberden
Will aͤndern ſeine Welt, und ſelbſt nicht anders werden.
Wo nicht ein aͤußrer tobt, ein innerlicher Kampf,
Wird ſelbſt des Lebens Luſtgeberd' ein Todeskrampf.
Den Wehen des Geſchicks iſt Fehlgeburt entrungen,
Vom Drang des Augenblicks Ruh und Genuß verſchlungen.
Ich weiß nicht, wo ſich wird die Wiſſenſchaft verkriechen,
Die Poeſie doch wird unzweifelhaft verſiechen.
Wo ſich genuͤberſtehn Unglaub' und Ueberglauben,
Will dir die Seele der, und der die Sinne rauben.
Die Sinne raubt er nicht, doch hat er ſie verdumpft;
Die Seele raubt er nicht, doch hat er ſie verſumpft.
In dieſem Suͤndenpfuhl, in dieſen Jammerfroͤſten,
Kann fuͤr die Welt mich nur ein neuer Glaube troͤſten;
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