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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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So aber hat er nur Ursache, sie zu fragen,
Wieviel der Winkel kann von heller Mitte sagen.
In Mitten steht ein Licht hoch auf dem Tisch im Zimmer,
Und füllt den ganzen Raum, doch mit ungleichem Schimmer.
Ein Spiegel wirft den Glanz dem andern Spiegel zu,
Der wieder andern, und vorm letzten stehest du.
Du siehst gedämpft genug das Licht, daß dichs nicht blende,
Und hell genug, daß dich zum Lichtquell Sehnsucht wende.
Im Winkel warte nur geduldig, bis die Augen
Dir, einzutreten in den Glanz der Mitte, taugen.
Wie schonend Mondlicht sanft um Eulenblödheit fließt,
Bis sich ein Adlerblick der Sonne kühn erschließt.
Ein blasser Mond, o Erd', ist deine Mittagssonne,
Die nur mit Sehnsucht füllt, nicht selbst ist volle Wonne.
Die Sonn' im Wolkenflor webt einen Regenbogen;
Wie rein ist der Akkord des Farbenspiels gezogen!
Der Bogen aber spielt in einem zweiten dann,
Worin der bunte Schmelz in mattes Grau zerrann.
So aber hat er nur Urſache, ſie zu fragen,
Wieviel der Winkel kann von heller Mitte ſagen.
In Mitten ſteht ein Licht hoch auf dem Tiſch im Zimmer,
Und fuͤllt den ganzen Raum, doch mit ungleichem Schimmer.
Ein Spiegel wirft den Glanz dem andern Spiegel zu,
Der wieder andern, und vorm letzten ſteheſt du.
Du ſiehſt gedaͤmpft genug das Licht, daß dichs nicht blende,
Und hell genug, daß dich zum Lichtquell Sehnſucht wende.
Im Winkel warte nur geduldig, bis die Augen
Dir, einzutreten in den Glanz der Mitte, taugen.
Wie ſchonend Mondlicht ſanft um Eulenbloͤdheit fließt,
Bis ſich ein Adlerblick der Sonne kuͤhn erſchließt.
Ein blaſſer Mond, o Erd', iſt deine Mittagsſonne,
Die nur mit Sehnſucht fuͤllt, nicht ſelbſt iſt volle Wonne.
Die Sonn' im Wolkenflor webt einen Regenbogen;
Wie rein iſt der Akkord des Farbenſpiels gezogen!
Der Bogen aber ſpielt in einem zweiten dann,
Worin der bunte Schmelz in mattes Grau zerrann.
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[133/0143] So aber hat er nur Urſache, ſie zu fragen, Wieviel der Winkel kann von heller Mitte ſagen. In Mitten ſteht ein Licht hoch auf dem Tiſch im Zimmer, Und fuͤllt den ganzen Raum, doch mit ungleichem Schimmer. Ein Spiegel wirft den Glanz dem andern Spiegel zu, Der wieder andern, und vorm letzten ſteheſt du. Du ſiehſt gedaͤmpft genug das Licht, daß dichs nicht blende, Und hell genug, daß dich zum Lichtquell Sehnſucht wende. Im Winkel warte nur geduldig, bis die Augen Dir, einzutreten in den Glanz der Mitte, taugen. Wie ſchonend Mondlicht ſanft um Eulenbloͤdheit fließt, Bis ſich ein Adlerblick der Sonne kuͤhn erſchließt. Ein blaſſer Mond, o Erd', iſt deine Mittagsſonne, Die nur mit Sehnſucht fuͤllt, nicht ſelbſt iſt volle Wonne. Die Sonn' im Wolkenflor webt einen Regenbogen; Wie rein iſt der Akkord des Farbenſpiels gezogen! Der Bogen aber ſpielt in einem zweiten dann, Worin der bunte Schmelz in mattes Grau zerrann.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/143>, abgerufen am 02.05.2024.