Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.53. Du hast, o schwacher Mensch, alswie an jedem Tage, Ein anderes Gemüth in jeder andern Lage. Das hab' ich an mir selbst auf mancher Reis' erfahren, Daß anders mir zu Muth im Gehn war als im Fahren. Im Fahren war ich stolz, geneigt herabzusehn, Verachtend alle die ich sah zu Fuße gehn. Im Gehen war ich stolz, verachtend, doch nach oben, Die über mich zu Roß und Wagen sich erhoben. Und wenn es besser gieng, so trat als Weggeselle Dort Großmuth, Demuth hier, an Hoch- und Unmuths Stelle. Das höchste doch, wozu wir dort und hier es brachten, War Selbzufriedenheit ohn' andre zu verachten. 53. Du haſt, o ſchwacher Menſch, alswie an jedem Tage, Ein anderes Gemuͤth in jeder andern Lage. Das hab' ich an mir ſelbſt auf mancher Reiſ' erfahren, Daß anders mir zu Muth im Gehn war als im Fahren. Im Fahren war ich ſtolz, geneigt herabzuſehn, Verachtend alle die ich ſah zu Fuße gehn. Im Gehen war ich ſtolz, verachtend, doch nach oben, Die uͤber mich zu Roß und Wagen ſich erhoben. Und wenn es beſſer gieng, ſo trat als Weggeſelle Dort Großmuth, Demuth hier, an Hoch- und Unmuths Stelle. Das hoͤchſte doch, wozu wir dort und hier es brachten, War Selbzufriedenheit ohn' andre zu verachten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0184" n="174"/> <div n="2"> <head>53.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du haſt, o ſchwacher Menſch, alswie an jedem Tage,</l><lb/> <l>Ein anderes Gemuͤth in jeder andern Lage.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Das hab' ich an mir ſelbſt auf mancher Reiſ' erfahren,</l><lb/> <l>Daß anders mir zu Muth im Gehn war als im Fahren.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Im Fahren war ich ſtolz, geneigt herabzuſehn,</l><lb/> <l>Verachtend alle die ich ſah zu Fuße gehn.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Im Gehen war ich ſtolz, verachtend, doch nach oben,</l><lb/> <l>Die uͤber mich zu Roß und Wagen ſich erhoben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und wenn es beſſer gieng, ſo trat als Weggeſelle</l><lb/> <l>Dort Großmuth, Demuth hier, an Hoch- und Unmuths Stelle.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Das hoͤchſte doch, wozu wir dort und hier es brachten,</l><lb/> <l>War Selbzufriedenheit ohn' andre zu verachten.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [174/0184]
53.
Du haſt, o ſchwacher Menſch, alswie an jedem Tage,
Ein anderes Gemuͤth in jeder andern Lage.
Das hab' ich an mir ſelbſt auf mancher Reiſ' erfahren,
Daß anders mir zu Muth im Gehn war als im Fahren.
Im Fahren war ich ſtolz, geneigt herabzuſehn,
Verachtend alle die ich ſah zu Fuße gehn.
Im Gehen war ich ſtolz, verachtend, doch nach oben,
Die uͤber mich zu Roß und Wagen ſich erhoben.
Und wenn es beſſer gieng, ſo trat als Weggeſelle
Dort Großmuth, Demuth hier, an Hoch- und Unmuths Stelle.
Das hoͤchſte doch, wozu wir dort und hier es brachten,
War Selbzufriedenheit ohn' andre zu verachten.
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