Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.20. Thu was du kannst, und laß das andre dem, der's kann Zu jedem ganzen Werk gehört ein ganzer Mann. Zwo Hälften machen zwar ein Ganzes, aber merk: Aus halb und halb gethan entsteht kein ganzes Werk. Wer halb und halb gesund, der mag nur krank sich nennen; Und gar nicht kennen wir, was halb und halb wir kennen. Wenn etwas Ganzes würd' aus noch so vielen Halben, Ganz gut! es wimmelt jetzt von Halben allenthalben. In jeder Halbheit wohnt ein Trieb zur Uebertreibung; Bei Uebertreibung bleibt nicht aus die Unterbleibung. Zuwenig und zuviel ist beides ein Verdruß; So fehl ist überm Ziel wie unterm Ziel ein Schuß. Zuwenig und zuviel ist gleichsehr unvollkommen; Im Ernst ist und im Spiel das rechte Maß willkommen. 20. Thu was du kannſt, und laß das andre dem, der's kann Zu jedem ganzen Werk gehoͤrt ein ganzer Mann. Zwo Haͤlften machen zwar ein Ganzes, aber merk: Aus halb und halb gethan entſteht kein ganzes Werk. Wer halb und halb geſund, der mag nur krank ſich nennen; Und gar nicht kennen wir, was halb und halb wir kennen. Wenn etwas Ganzes wuͤrd' aus noch ſo vielen Halben, Ganz gut! es wimmelt jetzt von Halben allenthalben. In jeder Halbheit wohnt ein Trieb zur Uebertreibung; Bei Uebertreibung bleibt nicht aus die Unterbleibung. Zuwenig und zuviel iſt beides ein Verdruß; So fehl iſt uͤberm Ziel wie unterm Ziel ein Schuß. Zuwenig und zuviel iſt gleichſehr unvollkommen; Im Ernſt iſt und im Spiel das rechte Maß willkommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0031" n="21"/> <div n="2"> <head>20.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Thu was du kannſt, und laß das andre dem, der's kann</l><lb/> <l>Zu jedem ganzen Werk gehoͤrt ein ganzer Mann.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Zwo Haͤlften machen zwar ein Ganzes, aber merk:</l><lb/> <l>Aus halb und halb gethan entſteht kein ganzes Werk.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wer halb und halb geſund, der mag nur krank ſich nennen;</l><lb/> <l>Und gar nicht kennen wir, was halb und halb wir kennen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wenn etwas Ganzes wuͤrd' aus noch ſo vielen Halben,</l><lb/> <l>Ganz gut! es wimmelt jetzt von Halben allenthalben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>In jeder Halbheit wohnt ein Trieb zur Uebertreibung;</l><lb/> <l>Bei Uebertreibung bleibt nicht aus die Unterbleibung.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Zuwenig und zuviel iſt beides ein Verdruß;</l><lb/> <l>So fehl iſt uͤberm Ziel wie unterm Ziel ein Schuß.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Zuwenig und zuviel iſt gleichſehr unvollkommen;</l><lb/> <l>Im Ernſt iſt und im Spiel das rechte Maß willkommen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [21/0031]
20.
Thu was du kannſt, und laß das andre dem, der's kann
Zu jedem ganzen Werk gehoͤrt ein ganzer Mann.
Zwo Haͤlften machen zwar ein Ganzes, aber merk:
Aus halb und halb gethan entſteht kein ganzes Werk.
Wer halb und halb geſund, der mag nur krank ſich nennen;
Und gar nicht kennen wir, was halb und halb wir kennen.
Wenn etwas Ganzes wuͤrd' aus noch ſo vielen Halben,
Ganz gut! es wimmelt jetzt von Halben allenthalben.
In jeder Halbheit wohnt ein Trieb zur Uebertreibung;
Bei Uebertreibung bleibt nicht aus die Unterbleibung.
Zuwenig und zuviel iſt beides ein Verdruß;
So fehl iſt uͤberm Ziel wie unterm Ziel ein Schuß.
Zuwenig und zuviel iſt gleichſehr unvollkommen;
Im Ernſt iſt und im Spiel das rechte Maß willkommen.
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