Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.312. Wenn du im Glücke schwimmst, das Unglück nur vernimmst Von außen, ists nicht fein daß du den Ton anstimmst Von Glückes Nichtigkeit, Unglücks Unwichtigkeit; Dein thatlos guter Rath ist ohne Richtigkeit. Nur was du selbst vermagst zu tragen, zu entbehren, Kanst du mit ein'gem Recht an andre auch begehren. Und selber da mußt du den Schwachen Nachsicht gönnen, Wenn sie, was leicht dir wird, so leicht nicht nehmen können. 313. Man sagt wol, ein Ersatz, ein zeit'ger Lückenbüßer, Nicht jeder Forderung genügen soll' und müß' er. Doch wenn er wirklichem Bedürfnis nicht genügt, Ists besser daß man nicht den Wunsch mit ihm betrügt. Denn das Bedürfnis würkt, solang die Lück' ist offen; Ist sie zum Schein gefüllt, bleibt Bessrung nicht zu hoffen. 312. Wenn du im Gluͤcke ſchwimmſt, das Ungluͤck nur vernimmſt Von außen, iſts nicht fein daß du den Ton anſtimmſt Von Gluͤckes Nichtigkeit, Ungluͤcks Unwichtigkeit; Dein thatlos guter Rath iſt ohne Richtigkeit. Nur was du ſelbſt vermagſt zu tragen, zu entbehren, Kanſt du mit ein'gem Recht an andre auch begehren. Und ſelber da mußt du den Schwachen Nachſicht goͤnnen, Wenn ſie, was leicht dir wird, ſo leicht nicht nehmen koͤnnen. 313. Man ſagt wol, ein Erſatz, ein zeit'ger Luͤckenbuͤßer, Nicht jeder Forderung genuͤgen ſoll' und muͤß' er. Doch wenn er wirklichem Beduͤrfnis nicht genuͤgt, Iſts beſſer daß man nicht den Wunſch mit ihm betruͤgt. Denn das Beduͤrfnis wuͤrkt, ſolang die Luͤck' iſt offen; Iſt ſie zum Schein gefuͤllt, bleibt Beſſrung nicht zu hoffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0199" n="189"/> <div n="2"> <head>312.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn du im Gluͤcke ſchwimmſt, das Ungluͤck nur vernimmſt</l><lb/> <l>Von außen, iſts nicht fein daß du den Ton anſtimmſt</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Von Gluͤckes Nichtigkeit, Ungluͤcks Unwichtigkeit;</l><lb/> <l>Dein thatlos guter Rath iſt ohne Richtigkeit.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nur was du ſelbſt vermagſt zu tragen, zu entbehren,</l><lb/> <l>Kanſt du mit ein'gem Recht an andre auch begehren.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und ſelber da mußt du den Schwachen Nachſicht goͤnnen,</l><lb/> <l>Wenn ſie, was leicht dir wird, ſo leicht nicht nehmen koͤnnen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>313.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Man ſagt wol, ein Erſatz, ein zeit'ger Luͤckenbuͤßer,</l><lb/> <l>Nicht jeder Forderung genuͤgen ſoll' und muͤß' er.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch wenn er wirklichem Beduͤrfnis nicht genuͤgt,</l><lb/> <l>Iſts beſſer daß man nicht den Wunſch mit ihm betruͤgt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Denn das Beduͤrfnis wuͤrkt, ſolang die Luͤck' iſt offen;</l><lb/> <l>Iſt ſie zum Schein gefuͤllt, bleibt Beſſrung nicht zu hoffen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [189/0199]
312.
Wenn du im Gluͤcke ſchwimmſt, das Ungluͤck nur vernimmſt
Von außen, iſts nicht fein daß du den Ton anſtimmſt
Von Gluͤckes Nichtigkeit, Ungluͤcks Unwichtigkeit;
Dein thatlos guter Rath iſt ohne Richtigkeit.
Nur was du ſelbſt vermagſt zu tragen, zu entbehren,
Kanſt du mit ein'gem Recht an andre auch begehren.
Und ſelber da mußt du den Schwachen Nachſicht goͤnnen,
Wenn ſie, was leicht dir wird, ſo leicht nicht nehmen koͤnnen.
313.
Man ſagt wol, ein Erſatz, ein zeit'ger Luͤckenbuͤßer,
Nicht jeder Forderung genuͤgen ſoll' und muͤß' er.
Doch wenn er wirklichem Beduͤrfnis nicht genuͤgt,
Iſts beſſer daß man nicht den Wunſch mit ihm betruͤgt.
Denn das Beduͤrfnis wuͤrkt, ſolang die Luͤck' iſt offen;
Iſt ſie zum Schein gefuͤllt, bleibt Beſſrung nicht zu hoffen.
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