Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
81.
Unendlich fühlest du dich in dir selbst, doch endlich
Nach außen hin, und bist dir selber unverständlich.
Versteh! Unendliches und Endlichs, das dir scheint
So unvereinbar, ist durch Eines doch vereint.
Du bist ein werdendes, nicht ein gewordnes Ich,
Und alles Werden ist im Widerspruch mit sich.
Unendliches, das wird, muß endlich sich geberden,
Und Endlichs will, indem es wird, unendlich werden.

82.
Wenn du das Höhere vom Niedern völlig trennst,
Nur jenes wahres Seyn, dis nicht'ge Täuschung nennst,
So wird, emporgerückt, dir jenes fern erblassen,
Und dis, herabgedrückt, dir scheinen gottverlassen:
Du wirst, was dich umgibt, als zu gering verachten,
Als unerreichbar doch das, was dir fehlt, betrachten.
81.
Unendlich fuͤhleſt du dich in dir ſelbſt, doch endlich
Nach außen hin, und biſt dir ſelber unverſtaͤndlich.
Verſteh! Unendliches und Endlichs, das dir ſcheint
So unvereinbar, iſt durch Eines doch vereint.
Du biſt ein werdendes, nicht ein gewordnes Ich,
Und alles Werden iſt im Widerſpruch mit ſich.
Unendliches, das wird, muß endlich ſich geberden,
Und Endlichs will, indem es wird, unendlich werden.

82.
Wenn du das Hoͤhere vom Niedern voͤllig trennſt,
Nur jenes wahres Seyn, dis nicht'ge Taͤuſchung nennſt,
So wird, emporgeruͤckt, dir jenes fern erblaſſen,
Und dis, herabgedruͤckt, dir ſcheinen gottverlaſſen:
Du wirſt, was dich umgibt, als zu gering verachten,
Als unerreichbar doch das, was dir fehlt, betrachten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0062" n="52"/>
        <div n="2">
          <head>81.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Unendlich fu&#x0364;hle&#x017F;t du dich in dir &#x017F;elb&#x017F;t, doch endlich</l><lb/>
              <l>Nach außen hin, und bi&#x017F;t dir &#x017F;elber unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ver&#x017F;teh! Unendliches und Endlichs, das dir &#x017F;cheint</l><lb/>
              <l>So unvereinbar, i&#x017F;t durch Eines doch vereint.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Du bi&#x017F;t ein werdendes, nicht ein gewordnes Ich,</l><lb/>
              <l>Und alles Werden i&#x017F;t im Wider&#x017F;pruch mit &#x017F;ich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Unendliches, das wird, muß endlich &#x017F;ich geberden,</l><lb/>
              <l>Und Endlichs will, indem es wird, unendlich werden.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>82.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Wenn du das Ho&#x0364;here vom Niedern vo&#x0364;llig trenn&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Nur jenes wahres Seyn, dis nicht'ge Ta&#x0364;u&#x017F;chung nenn&#x017F;t,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>So wird, emporgeru&#x0364;ckt, dir jenes fern erbla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und dis, herabgedru&#x0364;ckt, dir &#x017F;cheinen gottverla&#x017F;&#x017F;en:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Du wir&#x017F;t, was dich umgibt, als zu gering verachten,</l><lb/>
              <l>Als unerreichbar doch das, was dir fehlt, betrachten.</l>
            </lg><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] 81. Unendlich fuͤhleſt du dich in dir ſelbſt, doch endlich Nach außen hin, und biſt dir ſelber unverſtaͤndlich. Verſteh! Unendliches und Endlichs, das dir ſcheint So unvereinbar, iſt durch Eines doch vereint. Du biſt ein werdendes, nicht ein gewordnes Ich, Und alles Werden iſt im Widerſpruch mit ſich. Unendliches, das wird, muß endlich ſich geberden, Und Endlichs will, indem es wird, unendlich werden. 82. Wenn du das Hoͤhere vom Niedern voͤllig trennſt, Nur jenes wahres Seyn, dis nicht'ge Taͤuſchung nennſt, So wird, emporgeruͤckt, dir jenes fern erblaſſen, Und dis, herabgedruͤckt, dir ſcheinen gottverlaſſen: Du wirſt, was dich umgibt, als zu gering verachten, Als unerreichbar doch das, was dir fehlt, betrachten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/62
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/62>, abgerufen am 25.11.2024.