Die Welt hat solche Schätz' im Innern aufgethan, Daß sie der Dichtkunst Form nun nicht mehr fassen kan;
Wie sonst die Dichtkunst wol, was ist und war, umfaßte, Als noch ihr Maß mit dem der Welt zusammen paßte.
Doch nun begnügt sie sich, was sie nicht auszubeuten Vermag, mit flücht'gem Schlag der Wunschruth' anzudeuten.
Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in sich hält, Doch im Bewußtseyn ruht die Fülle dieser Welt.
6.
In schöne Leiblichkeit Gedanken eingebären, Und in Gedankenduft ein leibliches verklären,
Ist beides Poesie nach zwei verschiednen Seiten; Der mag auf dieser Bahn, und der auf jener schreiten.
Das Höchste doch gelingt, Vollkommenstes entspringt, Wo ganz, ursprünglich eins, sich beides rein durchdringt.
5.
Die Welt hat ſolche Schaͤtz' im Innern aufgethan, Daß ſie der Dichtkunſt Form nun nicht mehr faſſen kan;
Wie ſonſt die Dichtkunſt wol, was iſt und war, umfaßte, Als noch ihr Maß mit dem der Welt zuſammen paßte.
Doch nun begnuͤgt ſie ſich, was ſie nicht auszubeuten Vermag, mit fluͤcht'gem Schlag der Wunſchruth' anzudeuten.
Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in ſich haͤlt, Doch im Bewußtſeyn ruht die Fuͤlle dieſer Welt.
6.
In ſchoͤne Leiblichkeit Gedanken eingebaͤren, Und in Gedankenduft ein leibliches verklaͤren,
Iſt beides Poeſie nach zwei verſchiednen Seiten; Der mag auf dieſer Bahn, und der auf jener ſchreiten.
Das Hoͤchſte doch gelingt, Vollkommenſtes entſpringt, Wo ganz, urſpruͤnglich eins, ſich beides rein durchdringt.
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5.
Die Welt hat ſolche Schaͤtz' im Innern aufgethan,
Daß ſie der Dichtkunſt Form nun nicht mehr faſſen kan;
Wie ſonſt die Dichtkunſt wol, was iſt und war, umfaßte,
Als noch ihr Maß mit dem der Welt zuſammen paßte.
Doch nun begnuͤgt ſie ſich, was ſie nicht auszubeuten
Vermag, mit fluͤcht'gem Schlag der Wunſchruth' anzudeuten.
Wenn auch den Vollgehalt die Form nicht in ſich haͤlt,
Doch im Bewußtſeyn ruht die Fuͤlle dieſer Welt.
6.
In ſchoͤne Leiblichkeit Gedanken eingebaͤren,
Und in Gedankenduft ein leibliches verklaͤren,
Iſt beides Poeſie nach zwei verſchiednen Seiten;
Der mag auf dieſer Bahn, und der auf jener ſchreiten.
Das Hoͤchſte doch gelingt, Vollkommenſtes entſpringt,
Wo ganz, urſpruͤnglich eins, ſich beides rein durchdringt.
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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/118>, abgerufen am 22.02.2025.
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