Das Wissen steht zuerst, es steht das Seyn zuletzt, Das Wissen also ist dem Seyn vorausgesetzt.
Jawohl ist meinem Seyn vorausgesetzt ein Wissen, Ein Wissen, welchem nie mein Seyn kann seyn entrissen.
Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein; Mein Selbstbewußtseyn ist, von Gott gewußt zu seyn.
Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt, O Gott, und war es doch, denn du warst mein bewußt.
Bewußtseyn aber weiß nicht um sich selbst allein, Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein.
Doch die Versöhnung ist dem Streit schon eingewoben, Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben.
Nicht aufgehoben, wie sich Ja und Nein aufhebt; Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler schwebt.
Im Gottbewußtseyn geht nicht mein Bewußtseyn aus; Eingeht es wie ein Kind in seines Vaters Haus.
Das Wiſſen ſteht zuerſt, es ſteht das Seyn zuletzt, Das Wiſſen alſo iſt dem Seyn vorausgeſetzt.
Jawohl iſt meinem Seyn vorausgeſetzt ein Wiſſen, Ein Wiſſen, welchem nie mein Seyn kann ſeyn entriſſen.
Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein; Mein Selbſtbewußtſeyn iſt, von Gott gewußt zu ſeyn.
Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt, O Gott, und war es doch, denn du warſt mein bewußt.
Bewußtſeyn aber weiß nicht um ſich ſelbſt allein, Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein.
Doch die Verſoͤhnung iſt dem Streit ſchon eingewoben, Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben.
Nicht aufgehoben, wie ſich Ja und Nein aufhebt; Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler ſchwebt.
Im Gottbewußtſeyn geht nicht mein Bewußtſeyn aus; Eingeht es wie ein Kind in ſeines Vaters Haus.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0129"n="119"/><lgn="3"><l>Das Wiſſen ſteht zuerſt, es ſteht das Seyn zuletzt,</l><lb/><l>Das Wiſſen alſo iſt dem Seyn vorausgeſetzt.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Jawohl iſt meinem Seyn vorausgeſetzt ein Wiſſen,</l><lb/><l>Ein Wiſſen, welchem nie mein Seyn kann ſeyn entriſſen.</l></lg><lb/><lgn="5"><l>Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein;</l><lb/><l>Mein Selbſtbewußtſeyn iſt, von Gott gewußt zu ſeyn.</l></lg><lb/><lgn="6"><l>Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt,</l><lb/><l>O Gott, und war es doch, denn du warſt mein bewußt.</l></lg><lb/><lgn="7"><l>Bewußtſeyn aber weiß nicht um ſich ſelbſt allein,</l><lb/><l>Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein.</l></lg><lb/><lgn="8"><l>Doch die Verſoͤhnung iſt dem Streit ſchon eingewoben,</l><lb/><l>Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben.</l></lg><lb/><lgn="9"><l>Nicht aufgehoben, wie ſich Ja und Nein aufhebt;</l><lb/><l>Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler ſchwebt.</l></lg><lb/><lgn="10"><l>Im Gottbewußtſeyn geht nicht mein Bewußtſeyn aus;</l><lb/><l>Eingeht es wie ein Kind in ſeines Vaters Haus.</l></lg><lb/></lg></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[119/0129]
Das Wiſſen ſteht zuerſt, es ſteht das Seyn zuletzt,
Das Wiſſen alſo iſt dem Seyn vorausgeſetzt.
Jawohl iſt meinem Seyn vorausgeſetzt ein Wiſſen,
Ein Wiſſen, welchem nie mein Seyn kann ſeyn entriſſen.
Ich bin von Gott gewußt, und bin dadurch allein;
Mein Selbſtbewußtſeyn iſt, von Gott gewußt zu ſeyn.
Ich war nicht mein bewußt, und war nicht dein bewußt,
O Gott, und war es doch, denn du warſt mein bewußt.
Bewußtſeyn aber weiß nicht um ſich ſelbſt allein,
Es weiß auch um die Welt, das wird es gleich entzwein.
Doch die Verſoͤhnung iſt dem Streit ſchon eingewoben,
Da ich die Welt und mich in Gott weiß aufgehoben.
Nicht aufgehoben, wie ſich Ja und Nein aufhebt;
Emporgehoben, wie zur Sonn' ein Adler ſchwebt.
Im Gottbewußtſeyn geht nicht mein Bewußtſeyn aus;
Eingeht es wie ein Kind in ſeines Vaters Haus.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/129>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.