Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Im Raume stehst du nicht, Raum steht und Zeit in dir; In allem was dich fühlt, stehst du, und stehst in mir. Dich fühlt das Menschenherz, das stolze, nicht allein, Dich fühlt das Thier, dich fühlt die Pflanze, fühlt der Stein. Sie alle haben stumm ihr Loblied angestimmt, Das du nicht überhörst, da es mein Ohr vernimmt. Dich preisend kommen sie, und gehn dich preisend wieder; Die Schöpfung wacht in dir und legt in dir sich nieder. Ich bin in dir erwacht, und werd' in dir entschlafen; Ich schweb' in dir, mein Meer, und ruh' in dir, mein Hafen. Ich klage nicht, daß ich dahingehn werd' im Nu; Ich jauchze daß ich bin, und ewig bleibest du. Ich klage nicht, was ich durch frühen Tod verloren; Ich jauchze, daß auch es zum Leben war geboren. Ich freue mich, daß es des Lebens sich gefreut, Und diese Freude mir im Herzen lebt noch heut. Im Raume ſtehſt du nicht, Raum ſteht und Zeit in dir; In allem was dich fuͤhlt, ſtehſt du, und ſtehſt in mir. Dich fuͤhlt das Menſchenherz, das ſtolze, nicht allein, Dich fuͤhlt das Thier, dich fuͤhlt die Pflanze, fuͤhlt der Stein. Sie alle haben ſtumm ihr Loblied angeſtimmt, Das du nicht uͤberhoͤrſt, da es mein Ohr vernimmt. Dich preiſend kommen ſie, und gehn dich preiſend wieder; Die Schoͤpfung wacht in dir und legt in dir ſich nieder. Ich bin in dir erwacht, und werd' in dir entſchlafen; Ich ſchweb' in dir, mein Meer, und ruh' in dir, mein Hafen. Ich klage nicht, daß ich dahingehn werd' im Nu; Ich jauchze daß ich bin, und ewig bleibeſt du. Ich klage nicht, was ich durch fruͤhen Tod verloren; Ich jauchze, daß auch es zum Leben war geboren. Ich freue mich, daß es des Lebens ſich gefreut, Und dieſe Freude mir im Herzen lebt noch heut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0161" n="151"/> <lg n="4"> <l>Im Raume ſtehſt du nicht, Raum ſteht und Zeit in dir;</l><lb/> <l>In allem was dich fuͤhlt, ſtehſt du, und ſtehſt in mir.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Dich fuͤhlt das Menſchenherz, das ſtolze, nicht allein,</l><lb/> <l>Dich fuͤhlt das Thier, dich fuͤhlt die Pflanze, fuͤhlt der Stein.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Sie alle haben ſtumm ihr Loblied angeſtimmt,</l><lb/> <l>Das du nicht uͤberhoͤrſt, da es mein Ohr vernimmt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Dich preiſend kommen ſie, und gehn dich preiſend wieder;</l><lb/> <l>Die Schoͤpfung wacht in dir und legt in dir ſich nieder.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich bin in dir erwacht, und werd' in dir entſchlafen;</l><lb/> <l>Ich ſchweb' in dir, mein Meer, und ruh' in dir, mein Hafen.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ich klage nicht, daß ich dahingehn werd' im Nu;</l><lb/> <l>Ich jauchze daß ich bin, und ewig bleibeſt du.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ich klage nicht, was ich durch fruͤhen Tod verloren;</l><lb/> <l>Ich jauchze, daß auch es zum Leben war geboren.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ich freue mich, daß es des Lebens ſich gefreut,</l><lb/> <l>Und dieſe Freude mir im Herzen lebt noch heut.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [151/0161]
Im Raume ſtehſt du nicht, Raum ſteht und Zeit in dir;
In allem was dich fuͤhlt, ſtehſt du, und ſtehſt in mir.
Dich fuͤhlt das Menſchenherz, das ſtolze, nicht allein,
Dich fuͤhlt das Thier, dich fuͤhlt die Pflanze, fuͤhlt der Stein.
Sie alle haben ſtumm ihr Loblied angeſtimmt,
Das du nicht uͤberhoͤrſt, da es mein Ohr vernimmt.
Dich preiſend kommen ſie, und gehn dich preiſend wieder;
Die Schoͤpfung wacht in dir und legt in dir ſich nieder.
Ich bin in dir erwacht, und werd' in dir entſchlafen;
Ich ſchweb' in dir, mein Meer, und ruh' in dir, mein Hafen.
Ich klage nicht, daß ich dahingehn werd' im Nu;
Ich jauchze daß ich bin, und ewig bleibeſt du.
Ich klage nicht, was ich durch fruͤhen Tod verloren;
Ich jauchze, daß auch es zum Leben war geboren.
Ich freue mich, daß es des Lebens ſich gefreut,
Und dieſe Freude mir im Herzen lebt noch heut.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/161>, abgerufen am 16.02.2025. |