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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

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Wenn er im Kampf erliegt, kehrt er als Sieger heim,
Hier lassend den mit Blut gepflanzten Friedenskeim.
Den Geist mit der Natur sollst du zusammendichten,
Die Erd' in Himmelsglanz verklären, nicht vernichten.
Kehr auf die Sinnenwelt so deine Thätigkeit,
Daß nicht die Lust an ihr dich mit dir selbst entzweit.
An keinem niedern Stoff laß die Gedanken haften;
Der Sinn vom Gegenstand nimmt an die Eigenschaften.
Betrachte liebend Gott, willst du gottähnlich werden;
Denn das Gemüt nimmt an vom Liebsten die Geberden.
Doch willst du an der Welt unschuldig dich erbaun,
Mußt alles du in Gott und Gott in Allem schaun.
Und das ist gar nicht schwer; der höchsten Liebe Spur
Im Niedersten zu schaun, hab' Liebesaugen nur!
Die Liebe siehst du dann, wie dort im Reigen gehn
Der Stern', in Blumen so hier auf den Grüften stehn.

Rückert, Lehrgedicht IV. 8
Wenn er im Kampf erliegt, kehrt er als Sieger heim,
Hier laſſend den mit Blut gepflanzten Friedenskeim.
Den Geiſt mit der Natur ſollſt du zuſammendichten,
Die Erd' in Himmelsglanz verklaͤren, nicht vernichten.
Kehr auf die Sinnenwelt ſo deine Thaͤtigkeit,
Daß nicht die Luſt an ihr dich mit dir ſelbſt entzweit.
An keinem niedern Stoff laß die Gedanken haften;
Der Sinn vom Gegenſtand nimmt an die Eigenſchaften.
Betrachte liebend Gott, willſt du gottaͤhnlich werden;
Denn das Gemuͤt nimmt an vom Liebſten die Geberden.
Doch willſt du an der Welt unſchuldig dich erbaun,
Mußt alles du in Gott und Gott in Allem ſchaun.
Und das iſt gar nicht ſchwer; der hoͤchſten Liebe Spur
Im Niederſten zu ſchaun, hab' Liebesaugen nur!
Die Liebe ſiehſt du dann, wie dort im Reigen gehn
Der Stern', in Blumen ſo hier auf den Gruͤften ſtehn.

Ruͤckert, Lehrgedicht IV. 8
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[169/0179] Wenn er im Kampf erliegt, kehrt er als Sieger heim, Hier laſſend den mit Blut gepflanzten Friedenskeim. Den Geiſt mit der Natur ſollſt du zuſammendichten, Die Erd' in Himmelsglanz verklaͤren, nicht vernichten. Kehr auf die Sinnenwelt ſo deine Thaͤtigkeit, Daß nicht die Luſt an ihr dich mit dir ſelbſt entzweit. An keinem niedern Stoff laß die Gedanken haften; Der Sinn vom Gegenſtand nimmt an die Eigenſchaften. Betrachte liebend Gott, willſt du gottaͤhnlich werden; Denn das Gemuͤt nimmt an vom Liebſten die Geberden. Doch willſt du an der Welt unſchuldig dich erbaun, Mußt alles du in Gott und Gott in Allem ſchaun. Und das iſt gar nicht ſchwer; der hoͤchſten Liebe Spur Im Niederſten zu ſchaun, hab' Liebesaugen nur! Die Liebe ſiehſt du dann, wie dort im Reigen gehn Der Stern', in Blumen ſo hier auf den Gruͤften ſtehn. Ruͤckert, Lehrgedicht IV. 8

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/179>, abgerufen am 21.11.2024.