Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.136. Du kannst denselben Sinn in viele Bilder senken, Und kannst im selben Bild gar viele Sinne denken. Denn der Gedanke muß sich in viel Hüllen kleiden, Daß er sich lerne von sich selber unterscheiden. Und viel Gedanken sind in Einem Glanz erbrannt, Wo die verschiedenen als Eines sich erkannt. 137. Dich irrt der ew'ge Krieg in Wasser, Luft und Erden, Das Fressen der Geschöpf' und ihr Gefressenwerden. Du fragst, ob keine Welt geschaffen konnte seyn, Ganz Leben, ohne Tod? mein Sohn, ich denke, nein! Ich frage: Fühlest du dich selbst nicht wohlgemacht? Denk alles andre denn für dich hervorgebracht, Um dich und alle, die du liebest, zu ernähren. Nun aber: kann der Tod das Leben wol gebären? 136. Du kannſt denſelben Sinn in viele Bilder ſenken, Und kannſt im ſelben Bild gar viele Sinne denken. Denn der Gedanke muß ſich in viel Huͤllen kleiden, Daß er ſich lerne von ſich ſelber unterſcheiden. Und viel Gedanken ſind in Einem Glanz erbrannt, Wo die verſchiedenen als Eines ſich erkannt. 137. Dich irrt der ew'ge Krieg in Waſſer, Luft und Erden, Das Freſſen der Geſchoͤpf' und ihr Gefreſſenwerden. Du fragſt, ob keine Welt geſchaffen konnte ſeyn, Ganz Leben, ohne Tod? mein Sohn, ich denke, nein! Ich frage: Fuͤhleſt du dich ſelbſt nicht wohlgemacht? Denk alles andre denn fuͤr dich hervorgebracht, Um dich und alle, die du liebeſt, zu ernaͤhren. Nun aber: kann der Tod das Leben wol gebaͤren? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0234" n="224"/> <div n="2"> <head>136.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du kannſt denſelben Sinn in viele Bilder ſenken,</l><lb/> <l>Und kannſt im ſelben Bild gar viele Sinne denken.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Denn der Gedanke muß ſich in viel Huͤllen kleiden,</l><lb/> <l>Daß er ſich lerne von ſich ſelber unterſcheiden.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und viel Gedanken ſind in Einem Glanz erbrannt,</l><lb/> <l>Wo die verſchiedenen als Eines ſich erkannt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>137.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dich irrt der ew'ge Krieg in Waſſer, Luft und Erden,</l><lb/> <l>Das Freſſen der Geſchoͤpf' und ihr Gefreſſenwerden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du fragſt, ob keine Welt geſchaffen konnte ſeyn,</l><lb/> <l>Ganz Leben, ohne Tod? mein Sohn, ich denke, nein!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich frage: Fuͤhleſt du dich ſelbſt nicht wohlgemacht?</l><lb/> <l>Denk alles andre denn fuͤr dich hervorgebracht,</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Um dich und alle, die du liebeſt, zu ernaͤhren.</l><lb/> <l>Nun aber: kann der Tod das Leben wol gebaͤren?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
136.
Du kannſt denſelben Sinn in viele Bilder ſenken,
Und kannſt im ſelben Bild gar viele Sinne denken.
Denn der Gedanke muß ſich in viel Huͤllen kleiden,
Daß er ſich lerne von ſich ſelber unterſcheiden.
Und viel Gedanken ſind in Einem Glanz erbrannt,
Wo die verſchiedenen als Eines ſich erkannt.
137.
Dich irrt der ew'ge Krieg in Waſſer, Luft und Erden,
Das Freſſen der Geſchoͤpf' und ihr Gefreſſenwerden.
Du fragſt, ob keine Welt geſchaffen konnte ſeyn,
Ganz Leben, ohne Tod? mein Sohn, ich denke, nein!
Ich frage: Fuͤhleſt du dich ſelbſt nicht wohlgemacht?
Denk alles andre denn fuͤr dich hervorgebracht,
Um dich und alle, die du liebeſt, zu ernaͤhren.
Nun aber: kann der Tod das Leben wol gebaͤren?
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