Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Alswie im dichten Wald von tausend Saamenkörnern Nur eines sich empor arbeitet aus den Dörnern; Doch wird er ausgehaun, mag eine Tanne streun Die Saamen weit umher, und bald den Wald erneun. Der Baum des Lebens ist von Saamen ganz erfüllt, Und überall ein Trieb im andern eingehüllt. Die Knospe wartet nur auf Platz hervorzudringen, Sobald die alte weicht, wird gleich die neu' entspringen. Wie an der Eidechs', ob du Fuß ihr oder Hand Abhiebest, Hand und Fuß am selben Ort entstand; Alsob die Glieder schon verborgen fertig lauern, Und können nur nicht vor, so lang' die alten dauern. So überquillend ist auch Menschenfähigkeit; Gib Spielraum ihr, sie tritt hervor zu rechter Zeit. Drum füge dich der Zeit, erfülle deinen Platz, Und räum' ihn auch getrost, es fehlt nicht an Ersatz. Alswie im dichten Wald von tauſend Saamenkoͤrnern Nur eines ſich empor arbeitet aus den Doͤrnern; Doch wird er ausgehaun, mag eine Tanne ſtreun Die Saamen weit umher, und bald den Wald erneun. Der Baum des Lebens iſt von Saamen ganz erfuͤllt, Und uͤberall ein Trieb im andern eingehuͤllt. Die Knoſpe wartet nur auf Platz hervorzudringen, Sobald die alte weicht, wird gleich die neu' entſpringen. Wie an der Eidechſ', ob du Fuß ihr oder Hand Abhiebeſt, Hand und Fuß am ſelben Ort entſtand; Alsob die Glieder ſchon verborgen fertig lauern, Und koͤnnen nur nicht vor, ſo lang' die alten dauern. So uͤberquillend iſt auch Menſchenfaͤhigkeit; Gib Spielraum ihr, ſie tritt hervor zu rechter Zeit. Drum fuͤge dich der Zeit, erfuͤlle deinen Platz, Und raͤum' ihn auch getroſt, es fehlt nicht an Erſatz. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0026" n="16"/> <lg n="9"> <l>Alswie im dichten Wald von tauſend Saamenkoͤrnern</l><lb/> <l>Nur eines ſich empor arbeitet aus den Doͤrnern;</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Doch wird er ausgehaun, mag eine Tanne ſtreun</l><lb/> <l>Die Saamen weit umher, und bald den Wald erneun.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Der Baum des Lebens iſt von Saamen ganz erfuͤllt,</l><lb/> <l>Und uͤberall ein Trieb im andern eingehuͤllt.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Die Knoſpe wartet nur auf Platz hervorzudringen,</l><lb/> <l>Sobald die alte weicht, wird gleich die neu' entſpringen.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Wie an der Eidechſ', ob du Fuß ihr oder Hand</l><lb/> <l>Abhiebeſt, Hand und Fuß am ſelben Ort entſtand;</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Alsob die Glieder ſchon verborgen fertig lauern,</l><lb/> <l>Und koͤnnen nur nicht vor, ſo lang' die alten dauern.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>So uͤberquillend iſt auch Menſchenfaͤhigkeit;</l><lb/> <l>Gib Spielraum ihr, ſie tritt hervor zu rechter Zeit.</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Drum fuͤge dich der Zeit, erfuͤlle deinen Platz,</l><lb/> <l>Und raͤum' ihn auch getroſt, es fehlt nicht an Erſatz.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
Alswie im dichten Wald von tauſend Saamenkoͤrnern
Nur eines ſich empor arbeitet aus den Doͤrnern;
Doch wird er ausgehaun, mag eine Tanne ſtreun
Die Saamen weit umher, und bald den Wald erneun.
Der Baum des Lebens iſt von Saamen ganz erfuͤllt,
Und uͤberall ein Trieb im andern eingehuͤllt.
Die Knoſpe wartet nur auf Platz hervorzudringen,
Sobald die alte weicht, wird gleich die neu' entſpringen.
Wie an der Eidechſ', ob du Fuß ihr oder Hand
Abhiebeſt, Hand und Fuß am ſelben Ort entſtand;
Alsob die Glieder ſchon verborgen fertig lauern,
Und koͤnnen nur nicht vor, ſo lang' die alten dauern.
So uͤberquillend iſt auch Menſchenfaͤhigkeit;
Gib Spielraum ihr, ſie tritt hervor zu rechter Zeit.
Drum fuͤge dich der Zeit, erfuͤlle deinen Platz,
Und raͤum' ihn auch getroſt, es fehlt nicht an Erſatz.
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