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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

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8.
Groß ist die Aehnlichkeit von Seel' und Schmetterling.
Doch die Verschiedenheit von beiden nicht gering.
Die Puppenmaske zeigt ein Todtenangesicht,
Aus dessen Ernst ein Strahl von höherm Leben bricht;
Das ist das Gold, wovon die Chrysalide trägt
Den Namen, darin ist Verklärung vorgeprägt;
Nur daß der Schmetterling noch in dem Sarge liegt,
Indeß vom Kerker frei die Psyche drüber fliegt.
Die Psyche, die, wie sie sich unsichtbar gestaltet
Im Leben, so im Tod unsichtbar sich entfaltet.
Der Schmetterling erhebt sein himmlisches Gefieder,
Senkt nieder es, und heckt am Boden Raupen wieder.
Ich aber hoffe, wenn mein Schmetterling sich hebt,
Daß ewig erdenfrei er durch die Himmel schwebt.
Denn keine Blume blüht hienieden, die aus Lüften
Mich locken könnte gleich dem Schmetterling mit Düften.

8.
Groß iſt die Aehnlichkeit von Seel' und Schmetterling.
Doch die Verſchiedenheit von beiden nicht gering.
Die Puppenmaske zeigt ein Todtenangeſicht,
Aus deſſen Ernſt ein Strahl von hoͤherm Leben bricht;
Das iſt das Gold, wovon die Chryſalide traͤgt
Den Namen, darin iſt Verklaͤrung vorgepraͤgt;
Nur daß der Schmetterling noch in dem Sarge liegt,
Indeß vom Kerker frei die Pſyche druͤber fliegt.
Die Pſyche, die, wie ſie ſich unſichtbar geſtaltet
Im Leben, ſo im Tod unſichtbar ſich entfaltet.
Der Schmetterling erhebt ſein himmliſches Gefieder,
Senkt nieder es, und heckt am Boden Raupen wieder.
Ich aber hoffe, wenn mein Schmetterling ſich hebt,
Daß ewig erdenfrei er durch die Himmel ſchwebt.
Denn keine Blume bluͤht hienieden, die aus Luͤften
Mich locken koͤnnte gleich dem Schmetterling mit Duͤften.

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[271/0281] 8. Groß iſt die Aehnlichkeit von Seel' und Schmetterling. Doch die Verſchiedenheit von beiden nicht gering. Die Puppenmaske zeigt ein Todtenangeſicht, Aus deſſen Ernſt ein Strahl von hoͤherm Leben bricht; Das iſt das Gold, wovon die Chryſalide traͤgt Den Namen, darin iſt Verklaͤrung vorgepraͤgt; Nur daß der Schmetterling noch in dem Sarge liegt, Indeß vom Kerker frei die Pſyche druͤber fliegt. Die Pſyche, die, wie ſie ſich unſichtbar geſtaltet Im Leben, ſo im Tod unſichtbar ſich entfaltet. Der Schmetterling erhebt ſein himmliſches Gefieder, Senkt nieder es, und heckt am Boden Raupen wieder. Ich aber hoffe, wenn mein Schmetterling ſich hebt, Daß ewig erdenfrei er durch die Himmel ſchwebt. Denn keine Blume bluͤht hienieden, die aus Luͤften Mich locken koͤnnte gleich dem Schmetterling mit Duͤften.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/281>, abgerufen am 22.11.2024.