Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Gefährten such' ich mir, die etwas mit mir wagen, Nicht einen Reisefreund, des Bündel ich soll tragen. Der Seele Kraft besteht im Trachten und Betrachten; Betrachten sollst du viel, doch nicht nach allem trachten. Durcheilst du alles schnell, so wirst du vieles sehn; Das Eine siehst du recht, bleibst du beim Einen stehn. Ein kluger Wandersmann ruht aus am Scheidewege; Da ruh' ich nicht umsonst, indes ich überlege. Viel besser aber ists auf gut Glück irre gehn, Als bis zum Untergang der Sonn' am Scheidweg stehn. Ich habe viel geirrt, ich hab' auch viel getroffen Beim Irren, was nicht war auf gradem Weg zu hoffen. Ich sehs, daß ich gefehlt; was hilft, daß es mich reute? Das Gestern fraß der Fehl, soll fressen Reu das Heute? Mach' es sogut du kannst; und hast du's schlecht gemacht, So preis' in Demuth Gott, der Alles recht gemacht. Gefaͤhrten ſuch' ich mir, die etwas mit mir wagen, Nicht einen Reiſefreund, des Buͤndel ich ſoll tragen. Der Seele Kraft beſteht im Trachten und Betrachten; Betrachten ſollſt du viel, doch nicht nach allem trachten. Durcheilſt du alles ſchnell, ſo wirſt du vieles ſehn; Das Eine ſiehſt du recht, bleibſt du beim Einen ſtehn. Ein kluger Wandersmann ruht aus am Scheidewege; Da ruh' ich nicht umſonſt, indes ich uͤberlege. Viel beſſer aber iſts auf gut Gluͤck irre gehn, Als bis zum Untergang der Sonn' am Scheidweg ſtehn. Ich habe viel geirrt, ich hab' auch viel getroffen Beim Irren, was nicht war auf gradem Weg zu hoffen. Ich ſehs, daß ich gefehlt; was hilft, daß es mich reute? Das Geſtern fraß der Fehl, ſoll freſſen Reu das Heute? Mach' es ſogut du kannſt; und haſt du's ſchlecht gemacht, So preiſ' in Demuth Gott, der Alles recht gemacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0081" n="71"/> <lg n="5"> <l>Gefaͤhrten ſuch' ich mir, die etwas mit mir wagen,</l><lb/> <l>Nicht einen Reiſefreund, des Buͤndel ich ſoll tragen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Der Seele Kraft beſteht im Trachten und Betrachten;</l><lb/> <l>Betrachten ſollſt du viel, doch nicht nach allem trachten.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Durcheilſt du alles ſchnell, ſo wirſt du vieles ſehn;</l><lb/> <l>Das Eine ſiehſt du recht, bleibſt du beim Einen ſtehn.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ein kluger Wandersmann ruht aus am Scheidewege;</l><lb/> <l>Da ruh' ich nicht umſonſt, indes ich uͤberlege.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Viel beſſer aber iſts auf gut Gluͤck irre gehn,</l><lb/> <l>Als bis zum Untergang der Sonn' am Scheidweg ſtehn.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ich habe viel geirrt, ich hab' auch viel getroffen</l><lb/> <l>Beim Irren, was nicht war auf gradem Weg zu hoffen.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ich ſehs, daß ich gefehlt; was hilft, daß es mich reute?</l><lb/> <l>Das Geſtern fraß der Fehl, ſoll freſſen Reu das Heute?</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Mach' es ſogut du kannſt; und haſt du's ſchlecht gemacht,</l><lb/> <l>So preiſ' in Demuth Gott, der Alles recht gemacht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [71/0081]
Gefaͤhrten ſuch' ich mir, die etwas mit mir wagen,
Nicht einen Reiſefreund, des Buͤndel ich ſoll tragen.
Der Seele Kraft beſteht im Trachten und Betrachten;
Betrachten ſollſt du viel, doch nicht nach allem trachten.
Durcheilſt du alles ſchnell, ſo wirſt du vieles ſehn;
Das Eine ſiehſt du recht, bleibſt du beim Einen ſtehn.
Ein kluger Wandersmann ruht aus am Scheidewege;
Da ruh' ich nicht umſonſt, indes ich uͤberlege.
Viel beſſer aber iſts auf gut Gluͤck irre gehn,
Als bis zum Untergang der Sonn' am Scheidweg ſtehn.
Ich habe viel geirrt, ich hab' auch viel getroffen
Beim Irren, was nicht war auf gradem Weg zu hoffen.
Ich ſehs, daß ich gefehlt; was hilft, daß es mich reute?
Das Geſtern fraß der Fehl, ſoll freſſen Reu das Heute?
Mach' es ſogut du kannſt; und haſt du's ſchlecht gemacht,
So preiſ' in Demuth Gott, der Alles recht gemacht.
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