Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
84.
Versammelt sah ich jüngst in sommerlicher Stille
Graspferdchen und Cicad', ein Heimchen und die Grille.
Mir schienen alle vier sehr ähnlich, doch nicht gleich,
Und jedes rühmte sich der Lust in seinem Reich.
Graspferdchen, daß es frei könn' über Gräser springen,
Cicade, daß sie hoch vom Baume könne singen.
Das Heimchen, daß daheim es sei am trauten Herde,
Und Grille, daß geheim sie wohn' im Spalt der Erde.
Ich sprach: O daß, wie die in Gras und Laubeskronen,
Im Haus und Feld, vergnügt so Menschen könnten wohnen!
Dann dacht' ich, daß sie sind so friedlicher Geberde,
Macht, daß sie einzeln sind, nicht eine ganze Herde.
Graspferd, Cicade, Grill' und Heimchen, ohne Harm
Jedwedes, dichtgedrängt sind sie ein Heuschreckschwarm.

84.
Verſammelt ſah ich juͤngſt in ſommerlicher Stille
Graspferdchen und Cicad', ein Heimchen und die Grille.
Mir ſchienen alle vier ſehr aͤhnlich, doch nicht gleich,
Und jedes ruͤhmte ſich der Luſt in ſeinem Reich.
Graspferdchen, daß es frei koͤnn' uͤber Graͤſer ſpringen,
Cicade, daß ſie hoch vom Baume koͤnne ſingen.
Das Heimchen, daß daheim es ſei am trauten Herde,
Und Grille, daß geheim ſie wohn' im Spalt der Erde.
Ich ſprach: O daß, wie die in Gras und Laubeskronen,
Im Haus und Feld, vergnuͤgt ſo Menſchen koͤnnten wohnen!
Dann dacht' ich, daß ſie ſind ſo friedlicher Geberde,
Macht, daß ſie einzeln ſind, nicht eine ganze Herde.
Graspferd, Cicade, Grill' und Heimchen, ohne Harm
Jedwedes, dichtgedraͤngt ſind ſie ein Heuſchreckſchwarm.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0100" n="90"/>
        <div n="2">
          <head>84.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ver&#x017F;ammelt &#x017F;ah ich ju&#x0364;ng&#x017F;t in &#x017F;ommerlicher Stille</l><lb/>
              <l>Graspferdchen und Cicad', ein Heimchen und die Grille.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Mir &#x017F;chienen alle vier &#x017F;ehr a&#x0364;hnlich, doch nicht gleich,</l><lb/>
              <l>Und jedes ru&#x0364;hmte &#x017F;ich der Lu&#x017F;t in &#x017F;einem Reich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Graspferdchen, daß es frei ko&#x0364;nn' u&#x0364;ber Gra&#x0364;&#x017F;er &#x017F;pringen,</l><lb/>
              <l>Cicade, daß &#x017F;ie hoch vom Baume ko&#x0364;nne &#x017F;ingen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Das Heimchen, daß daheim es &#x017F;ei am trauten Herde,</l><lb/>
              <l>Und Grille, daß geheim &#x017F;ie wohn' im Spalt der Erde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Ich &#x017F;prach: O daß, wie die in Gras und Laubeskronen,</l><lb/>
              <l>Im Haus und Feld, vergnu&#x0364;gt &#x017F;o Men&#x017F;chen ko&#x0364;nnten wohnen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Dann dacht' ich, daß &#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;o friedlicher Geberde,</l><lb/>
              <l>Macht, daß &#x017F;ie einzeln &#x017F;ind, nicht eine ganze Herde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Graspferd, Cicade, Grill' und Heimchen, ohne Harm</l><lb/>
              <l>Jedwedes, dichtgedra&#x0364;ngt &#x017F;ind &#x017F;ie ein Heu&#x017F;chreck&#x017F;chwarm.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0100] 84. Verſammelt ſah ich juͤngſt in ſommerlicher Stille Graspferdchen und Cicad', ein Heimchen und die Grille. Mir ſchienen alle vier ſehr aͤhnlich, doch nicht gleich, Und jedes ruͤhmte ſich der Luſt in ſeinem Reich. Graspferdchen, daß es frei koͤnn' uͤber Graͤſer ſpringen, Cicade, daß ſie hoch vom Baume koͤnne ſingen. Das Heimchen, daß daheim es ſei am trauten Herde, Und Grille, daß geheim ſie wohn' im Spalt der Erde. Ich ſprach: O daß, wie die in Gras und Laubeskronen, Im Haus und Feld, vergnuͤgt ſo Menſchen koͤnnten wohnen! Dann dacht' ich, daß ſie ſind ſo friedlicher Geberde, Macht, daß ſie einzeln ſind, nicht eine ganze Herde. Graspferd, Cicade, Grill' und Heimchen, ohne Harm Jedwedes, dichtgedraͤngt ſind ſie ein Heuſchreckſchwarm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/100
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/100>, abgerufen am 04.12.2024.