Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.35. Der Himmel, wenn er lang nicht hat geregnet mehr, Bis wieder ordentlich er dazu kommt, hälts schwer. Es scheint ihm rechte Müh'n zu kosten, bis den Wolken Er gleich versiegten Küh'n ein Tröpflein erst entmolken. Dem Tröpfeln folgt die Trauf', und ist es erst im Zug, Gehts immer leichter ab, und mehr oft als genug. So wie ein stät'scher Gaul bocksteif ist eine Frist, Und erst gelenk wird, wann er warm geworden ist. Und wie ein Dichter, der zulang an sich gehalten, Anstrengung braucht, um neu die Flügel zu entfalten. Darum in jedem Werk, bist du einmal im Zug, Treib zu und schaffe fort, doch mehr nicht als genug 35. Der Himmel, wenn er lang nicht hat geregnet mehr, Bis wieder ordentlich er dazu kommt, haͤlts ſchwer. Es ſcheint ihm rechte Muͤh'n zu koſten, bis den Wolken Er gleich verſiegten Kuͤh'n ein Troͤpflein erſt entmolken. Dem Troͤpfeln folgt die Trauf', und iſt es erſt im Zug, Gehts immer leichter ab, und mehr oft als genug. So wie ein ſtaͤt'ſcher Gaul bockſteif iſt eine Friſt, Und erſt gelenk wird, wann er warm geworden iſt. Und wie ein Dichter, der zulang an ſich gehalten, Anſtrengung braucht, um neu die Fluͤgel zu entfalten. Darum in jedem Werk, biſt du einmal im Zug, Treib zu und ſchaffe fort, doch mehr nicht als genug <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0149" n="139"/> <div n="2"> <head>35.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Himmel, wenn er lang nicht hat geregnet mehr,</l><lb/> <l>Bis wieder ordentlich er dazu kommt, haͤlts ſchwer.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Es ſcheint ihm rechte Muͤh'n zu koſten, bis den Wolken</l><lb/> <l>Er gleich verſiegten Kuͤh'n ein Troͤpflein erſt entmolken.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Dem Troͤpfeln folgt die Trauf', und iſt es erſt im Zug,</l><lb/> <l>Gehts immer leichter ab, und mehr oft als genug.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>So wie ein ſtaͤt'ſcher Gaul bockſteif iſt eine Friſt,</l><lb/> <l>Und erſt gelenk wird, wann er warm geworden iſt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und wie ein Dichter, der zulang an ſich gehalten,</l><lb/> <l>Anſtrengung braucht, um neu die Fluͤgel zu entfalten.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Darum in jedem Werk, biſt du einmal im Zug,</l><lb/> <l>Treib zu und ſchaffe fort, doch mehr nicht als genug</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [139/0149]
35.
Der Himmel, wenn er lang nicht hat geregnet mehr,
Bis wieder ordentlich er dazu kommt, haͤlts ſchwer.
Es ſcheint ihm rechte Muͤh'n zu koſten, bis den Wolken
Er gleich verſiegten Kuͤh'n ein Troͤpflein erſt entmolken.
Dem Troͤpfeln folgt die Trauf', und iſt es erſt im Zug,
Gehts immer leichter ab, und mehr oft als genug.
So wie ein ſtaͤt'ſcher Gaul bockſteif iſt eine Friſt,
Und erſt gelenk wird, wann er warm geworden iſt.
Und wie ein Dichter, der zulang an ſich gehalten,
Anſtrengung braucht, um neu die Fluͤgel zu entfalten.
Darum in jedem Werk, biſt du einmal im Zug,
Treib zu und ſchaffe fort, doch mehr nicht als genug
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