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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

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52.
Gewöhne Schönes dich zu sinnen und zu denken,
Und lerne jeden Sinn aufs Schöne hinzulenken,
Und strebe jeden Sinn ins Schöne einzusenken,
Und Schönes möge hold dir jede Stunde schenken,
In Schönes hüllen dich, dein Herz mit Schönem tränken,
Und mit dem Anblick nie dich des Unschönen kränken.
Wer mit entschlossnem Blick das Schöne liebt und sucht,
Vor dessen Auge nimmt das Häßliche die Flucht.
Der Götter höchste Gunst ist aber dem bewahrt,
Der im Unschönen selbst das Schöne nur gewahrt;
Sei's auch, Unschönes nur, das seyn will, zu vernichten,
Und Schönes an der Statt, das seyn sollt', aufzurichten.
Ein zartes Auge wird beleidigt vom Unschönen,
Alswie ein feines Ohr verletzt von falschen Tönen.
Feinzarter Sinn ist gut, nicht gut der zärtlich schwache;
Du härte deinen so daß es nicht stumpf ihn mache.

52.
Gewoͤhne Schoͤnes dich zu ſinnen und zu denken,
Und lerne jeden Sinn aufs Schoͤne hinzulenken,
Und ſtrebe jeden Sinn ins Schoͤne einzuſenken,
Und Schoͤnes moͤge hold dir jede Stunde ſchenken,
In Schoͤnes huͤllen dich, dein Herz mit Schoͤnem traͤnken,
Und mit dem Anblick nie dich des Unſchoͤnen kraͤnken.
Wer mit entſchloſſnem Blick das Schoͤne liebt und ſucht,
Vor deſſen Auge nimmt das Haͤßliche die Flucht.
Der Goͤtter hoͤchſte Gunſt iſt aber dem bewahrt,
Der im Unſchoͤnen ſelbſt das Schoͤne nur gewahrt;
Sei's auch, Unſchoͤnes nur, das ſeyn will, zu vernichten,
Und Schoͤnes an der Statt, das ſeyn ſollt', aufzurichten.
Ein zartes Auge wird beleidigt vom Unſchoͤnen,
Alswie ein feines Ohr verletzt von falſchen Toͤnen.
Feinzarter Sinn iſt gut, nicht gut der zaͤrtlich ſchwache;
Du haͤrte deinen ſo daß es nicht ſtumpf ihn mache.

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[154/0164] 52. Gewoͤhne Schoͤnes dich zu ſinnen und zu denken, Und lerne jeden Sinn aufs Schoͤne hinzulenken, Und ſtrebe jeden Sinn ins Schoͤne einzuſenken, Und Schoͤnes moͤge hold dir jede Stunde ſchenken, In Schoͤnes huͤllen dich, dein Herz mit Schoͤnem traͤnken, Und mit dem Anblick nie dich des Unſchoͤnen kraͤnken. Wer mit entſchloſſnem Blick das Schoͤne liebt und ſucht, Vor deſſen Auge nimmt das Haͤßliche die Flucht. Der Goͤtter hoͤchſte Gunſt iſt aber dem bewahrt, Der im Unſchoͤnen ſelbſt das Schoͤne nur gewahrt; Sei's auch, Unſchoͤnes nur, das ſeyn will, zu vernichten, Und Schoͤnes an der Statt, das ſeyn ſollt', aufzurichten. Ein zartes Auge wird beleidigt vom Unſchoͤnen, Alswie ein feines Ohr verletzt von falſchen Toͤnen. Feinzarter Sinn iſt gut, nicht gut der zaͤrtlich ſchwache; Du haͤrte deinen ſo daß es nicht ſtumpf ihn mache.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/164>, abgerufen am 27.11.2024.