Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
65.
Die Weisheitslehren, die dir Weisheitslehrer spenden,
O könntest du sie stets zur Weisheit nur verwenden!
Doch du gewahrest bald, ein Lehrer widerspricht
Dem anderen, und wer im Recht sei, weißt du nicht.
Du kannst nicht beiden, wem von beiden willst du glauben?
Soll gar Glaubwürdigkeit jedweder jedem rauben?
Und schließest du, daß Recht von beiden keiner hat,
So hast du selber dir entzogen jeden Rath.
Denk lieber: Jeder hat nur Recht auf seine Weise;
Das stell' auf deine dir zurecht in deinem Kreise.
Verschiedne Fälle gibts auf einer Lebensfahrt,
Wo man wol brauchen kann Rath von verschiedner Art.
Glückselig bist du, wenn für Auf- und Niedersteig
Du immer recht verstehst den rechten Fingerzeig.

65.
Die Weisheitslehren, die dir Weisheitslehrer ſpenden,
O koͤnnteſt du ſie ſtets zur Weisheit nur verwenden!
Doch du gewahreſt bald, ein Lehrer widerſpricht
Dem anderen, und wer im Recht ſei, weißt du nicht.
Du kannſt nicht beiden, wem von beiden willſt du glauben?
Soll gar Glaubwuͤrdigkeit jedweder jedem rauben?
Und ſchließeſt du, daß Recht von beiden keiner hat,
So haſt du ſelber dir entzogen jeden Rath.
Denk lieber: Jeder hat nur Recht auf ſeine Weiſe;
Das ſtell' auf deine dir zurecht in deinem Kreiſe.
Verſchiedne Faͤlle gibts auf einer Lebensfahrt,
Wo man wol brauchen kann Rath von verſchiedner Art.
Gluͤckſelig biſt du, wenn fuͤr Auf- und Niederſteig
Du immer recht verſtehſt den rechten Fingerzeig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0281" n="271"/>
        <div n="2">
          <head>65.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Die Weisheitslehren, die dir Weisheitslehrer &#x017F;penden,</l><lb/>
              <l>O ko&#x0364;nnte&#x017F;t du &#x017F;ie &#x017F;tets zur Weisheit nur verwenden!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Doch du gewahre&#x017F;t bald, ein Lehrer wider&#x017F;pricht</l><lb/>
              <l>Dem anderen, und wer im Recht &#x017F;ei, weißt du nicht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Du kann&#x017F;t nicht beiden, wem von beiden will&#x017F;t du glauben?</l><lb/>
              <l>Soll gar Glaubwu&#x0364;rdigkeit jedweder jedem rauben?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Und &#x017F;chließe&#x017F;t du, daß Recht von beiden keiner hat,</l><lb/>
              <l>So ha&#x017F;t du &#x017F;elber dir entzogen jeden Rath.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Denk lieber: Jeder hat nur Recht auf &#x017F;eine Wei&#x017F;e;</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;tell' auf deine dir zurecht in deinem Krei&#x017F;e.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Ver&#x017F;chiedne Fa&#x0364;lle gibts auf einer Lebensfahrt,</l><lb/>
              <l>Wo man wol brauchen kann Rath von ver&#x017F;chiedner Art.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Glu&#x0364;ck&#x017F;elig bi&#x017F;t du, wenn fu&#x0364;r Auf- und Nieder&#x017F;teig</l><lb/>
              <l>Du immer recht ver&#x017F;teh&#x017F;t den rechten Fingerzeig.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0281] 65. Die Weisheitslehren, die dir Weisheitslehrer ſpenden, O koͤnnteſt du ſie ſtets zur Weisheit nur verwenden! Doch du gewahreſt bald, ein Lehrer widerſpricht Dem anderen, und wer im Recht ſei, weißt du nicht. Du kannſt nicht beiden, wem von beiden willſt du glauben? Soll gar Glaubwuͤrdigkeit jedweder jedem rauben? Und ſchließeſt du, daß Recht von beiden keiner hat, So haſt du ſelber dir entzogen jeden Rath. Denk lieber: Jeder hat nur Recht auf ſeine Weiſe; Das ſtell' auf deine dir zurecht in deinem Kreiſe. Verſchiedne Faͤlle gibts auf einer Lebensfahrt, Wo man wol brauchen kann Rath von verſchiedner Art. Gluͤckſelig biſt du, wenn fuͤr Auf- und Niederſteig Du immer recht verſtehſt den rechten Fingerzeig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/281
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/281>, abgerufen am 26.11.2024.