Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
100.
Das Denken, das sich treibt in ungemessnem Gleise,
Hat nirgend Ruh' als wo sichs ründet still im Kreise.
Ob enger solch ein Kreis, ob weiter sei, ist gleich;
Der Geist, im engsten wohlgeschlossnen fühlt sich reich.
Doch fühlt er reich sich nur auf einen Augenblick,
In neue Kreise treibt ihn ewig sein Geschick.
Und volle Ruhe wird vom Denken nur gefunden,
Wo es in Einen Kreis vermag die Welt zu runden.
Solange scheinen wie Planeten irr zu gehn
Gedanken, bis bewußt sie eine Sonn' umdrehn.
Um eine Sonne drehn sich meine lange schon,
Die ihnen nur verhüllt ist auf dem Mittelthron.

100.
Das Denken, das ſich treibt in ungemeſſnem Gleiſe,
Hat nirgend Ruh' als wo ſichs ruͤndet ſtill im Kreiſe.
Ob enger ſolch ein Kreis, ob weiter ſei, iſt gleich;
Der Geiſt, im engſten wohlgeſchloſſnen fuͤhlt ſich reich.
Doch fuͤhlt er reich ſich nur auf einen Augenblick,
In neue Kreiſe treibt ihn ewig ſein Geſchick.
Und volle Ruhe wird vom Denken nur gefunden,
Wo es in Einen Kreis vermag die Welt zu runden.
Solange ſcheinen wie Planeten irr zu gehn
Gedanken, bis bewußt ſie eine Sonn' umdrehn.
Um eine Sonne drehn ſich meine lange ſchon,
Die ihnen nur verhuͤllt iſt auf dem Mittelthron.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0186" n="176"/>
        <div n="2">
          <head>100.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l/>
            <lg n="1">
              <l>Das Denken, das &#x017F;ich treibt in ungeme&#x017F;&#x017F;nem Glei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Hat nirgend Ruh' als wo &#x017F;ichs ru&#x0364;ndet &#x017F;till im Krei&#x017F;e.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ob enger &#x017F;olch ein Kreis, ob weiter &#x017F;ei, i&#x017F;t gleich;</l><lb/>
              <l>Der Gei&#x017F;t, im eng&#x017F;ten wohlge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen fu&#x0364;hlt &#x017F;ich reich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Doch fu&#x0364;hlt er reich &#x017F;ich nur auf einen Augenblick,</l><lb/>
              <l>In neue Krei&#x017F;e treibt ihn ewig &#x017F;ein Ge&#x017F;chick.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Und volle Ruhe wird vom Denken nur gefunden,</l><lb/>
              <l>Wo es in Einen Kreis vermag die Welt zu runden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Solange &#x017F;cheinen wie Planeten irr zu gehn</l><lb/>
              <l>Gedanken, bis bewußt &#x017F;ie eine Sonn' umdrehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Um eine Sonne drehn &#x017F;ich meine lange &#x017F;chon,</l><lb/>
              <l>Die ihnen nur verhu&#x0364;llt i&#x017F;t auf dem Mittelthron.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0186] 100. Das Denken, das ſich treibt in ungemeſſnem Gleiſe, Hat nirgend Ruh' als wo ſichs ruͤndet ſtill im Kreiſe. Ob enger ſolch ein Kreis, ob weiter ſei, iſt gleich; Der Geiſt, im engſten wohlgeſchloſſnen fuͤhlt ſich reich. Doch fuͤhlt er reich ſich nur auf einen Augenblick, In neue Kreiſe treibt ihn ewig ſein Geſchick. Und volle Ruhe wird vom Denken nur gefunden, Wo es in Einen Kreis vermag die Welt zu runden. Solange ſcheinen wie Planeten irr zu gehn Gedanken, bis bewußt ſie eine Sonn' umdrehn. Um eine Sonne drehn ſich meine lange ſchon, Die ihnen nur verhuͤllt iſt auf dem Mittelthron.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/186
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/186>, abgerufen am 24.11.2024.