Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.Mög' alles, was verkehrt ich dieses Jahr soll thun, So leicht wie dies Gewand seyn umzuwenden nun! Und wenn mir soll die Uhr des Lebens stille stehn, Mög' es so unvermerkt und sanft im Schlaf geschehn! 136. Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Rast dem, der ihn hegt; Von ihm ist, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt. Bei einem Mann der That ist er villeicht zu loben; Er sei davon gespornt, getragen und gehoben! Daß er den innern Sturm durch äußre Stürme dämpfe; Und wie ihn nagt sein Wurm, betäub' er ihn durch Kämpfe! Allein bei Wissenschaft und Kunst ist ganz ein Fluch Der Ehrgeiz, unstatthaft, ein innrer Widerspruch. Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh sich vertragen; Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, läßt in Muße sich ertragen. Moͤg' alles, was verkehrt ich dieſes Jahr ſoll thun, So leicht wie dies Gewand ſeyn umzuwenden nun! Und wenn mir ſoll die Uhr des Lebens ſtille ſtehn, Moͤg' es ſo unvermerkt und ſanft im Schlaf geſchehn! 136. Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Raſt dem, der ihn hegt; Von ihm iſt, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt. Bei einem Mann der That iſt er villeicht zu loben; Er ſei davon geſpornt, getragen und gehoben! Daß er den innern Sturm durch aͤußre Stuͤrme daͤmpfe; Und wie ihn nagt ſein Wurm, betaͤub' er ihn durch Kaͤmpfe! Allein bei Wiſſenſchaft und Kunſt iſt ganz ein Fluch Der Ehrgeiz, unſtatthaft, ein innrer Widerſpruch. Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh ſich vertragen; Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, laͤßt in Muße ſich ertragen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0357" n="347"/> </l> <lg n="3"> <l>Moͤg' alles, was verkehrt ich dieſes Jahr ſoll thun,</l><lb/> <l>So leicht wie dies Gewand ſeyn umzuwenden nun!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und wenn mir ſoll die Uhr des Lebens ſtille ſtehn,</l><lb/> <l>Moͤg' es ſo unvermerkt und ſanft im Schlaf geſchehn!</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>136.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Raſt dem, der ihn hegt;</l><lb/> <l>Von ihm iſt, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Bei einem Mann der That iſt er villeicht zu loben;</l><lb/> <l>Er ſei davon geſpornt, getragen und gehoben!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Daß er den innern Sturm durch aͤußre Stuͤrme daͤmpfe;</l><lb/> <l>Und wie ihn nagt ſein Wurm, betaͤub' er ihn durch Kaͤmpfe!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Allein bei Wiſſenſchaft und Kunſt iſt ganz ein Fluch</l><lb/> <l>Der Ehrgeiz, unſtatthaft, ein innrer Widerſpruch.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh ſich vertragen;</l><lb/> <l>Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, laͤßt in Muße ſich ertragen.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [347/0357]
Moͤg' alles, was verkehrt ich dieſes Jahr ſoll thun,
So leicht wie dies Gewand ſeyn umzuwenden nun!
Und wenn mir ſoll die Uhr des Lebens ſtille ſtehn,
Moͤg' es ſo unvermerkt und ſanft im Schlaf geſchehn!
136.
Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Raſt dem, der ihn hegt;
Von ihm iſt, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt.
Bei einem Mann der That iſt er villeicht zu loben;
Er ſei davon geſpornt, getragen und gehoben!
Daß er den innern Sturm durch aͤußre Stuͤrme daͤmpfe;
Und wie ihn nagt ſein Wurm, betaͤub' er ihn durch Kaͤmpfe!
Allein bei Wiſſenſchaft und Kunſt iſt ganz ein Fluch
Der Ehrgeiz, unſtatthaft, ein innrer Widerſpruch.
Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh ſich vertragen;
Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, laͤßt in Muße ſich ertragen.
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