Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer *) Vor einigen Jahren habe ich über die bildnerische Behand-
lung dieser Statue nachstehende Bemerkungen aufgezeichnet: Sie ist vom halben Schenkel abwärts restaurirt, eben so beide Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno- chenwölbung über dem rechten Auge, die Nase, ein Theil der Lip- pen und das Kinn. Die Augen stehen nicht gleich; demungeachtet ist die Form der antiken Theile nicht unschön, der Ausdruck liebenswerth, auch in Hals und Brust einige Ausbildung der Theile. Die Falten der Tunica haben einzelne sehr gute Parthieen; im Ganzen ist ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent- wickelt. Die Tunica ist um die Hüften aufgebunden. Das Haar ist durch tief eingebohrte Löcher ausgedrückt, die Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch ähnlich behandelt. was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer *) Vor einigen Jahren habe ich uͤber die bildneriſche Behand-
lung dieſer Statue nachſtehende Bemerkungen aufgezeichnet: Sie iſt vom halben Schenkel abwaͤrts reſtaurirt, eben ſo beide Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno- chenwoͤlbung uͤber dem rechten Auge, die Naſe, ein Theil der Lip- pen und das Kinn. Die Augen ſtehen nicht gleich; demungeachtet iſt die Form der antiken Theile nicht unſchoͤn, der Ausdruck liebenswerth, auch in Hals und Bruſt einige Ausbildung der Theile. Die Falten der Tunica haben einzelne ſehr gute Parthieen; im Ganzen iſt ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent- wickelt. Die Tunica iſt um die Huͤften aufgebunden. Das Haar iſt durch tief eingebohrte Loͤcher ausgedruͤckt, die Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch aͤhnlich behandelt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0187" n="169"/> was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer<lb/> ausdruͤckt, entſcheidet mich zu glauben, daß jene Statue in<lb/> noch aͤlterer Zeit gebildet worden; denn ſicher zeigt ſie, bey<lb/> gleichem oder geringerem Kunſtgeſchicke, doch ein feineres Ge-<lb/> fuͤhl fuͤr die Bedeutung der Geſichtsformen <note place="foot" n="*)">Vor einigen Jahren habe ich uͤber die bildneriſche Behand-<lb/> lung dieſer Statue nachſtehende Bemerkungen aufgezeichnet:<lb/> Sie iſt vom halben Schenkel abwaͤrts reſtaurirt, eben ſo beide<lb/> Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno-<lb/> chenwoͤlbung uͤber dem rechten Auge, die Naſe, ein Theil der Lip-<lb/> pen und das Kinn.<lb/> Die Augen ſtehen nicht gleich; demungeachtet iſt die Form der<lb/> antiken Theile nicht unſchoͤn, der Ausdruck liebenswerth, auch in<lb/> Hals und Bruſt einige Ausbildung der Theile.<lb/> Die Falten der Tunica haben einzelne ſehr gute Parthieen; im<lb/> Ganzen iſt ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent-<lb/> wickelt. Die Tunica iſt um die Huͤften aufgebunden.<lb/> Das Haar iſt durch tief eingebohrte Loͤcher ausgedruͤckt, die<lb/> Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch aͤhnlich behandelt.</note>; ſo wie endlich<lb/> die Vorſtellung an ſich ſelbſt ſo ſehr im Geiſte der antiken<lb/> Kunſt zu ſeyn ſcheint, daß ich, auch abgeſehen von der er-<lb/> waͤhnten Figur, nicht anſtehen wuͤrde, ihre erſte Auffaſſung<lb/> ſehr fruͤhen Zeiten des Chriſtenthums beizulegen. Ueberhaupt<lb/> halte ich, unter rein chriſtlichen Allegorieen, ſolche fuͤr die aͤl-<lb/> teren, welche ſich auf bibliſche Gleichniſſe ſtuͤtzen; die bibliſch-<lb/> geſchichtlichen aber durchhin fuͤr die neueren. Unter den letz-<lb/> ten ſind bekanntlich die Anſpielungen auf die Wiedergeburt,<lb/> der Prophet Jonas, die Erweckung des Lazarus, die Ver-<lb/> wandlung des Weines und aͤhnliche bey weitem die gewoͤhn-<lb/> lichſten. Es wundert mich, daß die Denkmale, an denen ſie<lb/> vorkommen, groͤßtentheils von der roheſten Arbeit ſind. Viel-<lb/> leicht glaubte man, es genuͤge, den Gedanken nur anzudeu-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0187]
was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer
ausdruͤckt, entſcheidet mich zu glauben, daß jene Statue in
noch aͤlterer Zeit gebildet worden; denn ſicher zeigt ſie, bey
gleichem oder geringerem Kunſtgeſchicke, doch ein feineres Ge-
fuͤhl fuͤr die Bedeutung der Geſichtsformen *); ſo wie endlich
die Vorſtellung an ſich ſelbſt ſo ſehr im Geiſte der antiken
Kunſt zu ſeyn ſcheint, daß ich, auch abgeſehen von der er-
waͤhnten Figur, nicht anſtehen wuͤrde, ihre erſte Auffaſſung
ſehr fruͤhen Zeiten des Chriſtenthums beizulegen. Ueberhaupt
halte ich, unter rein chriſtlichen Allegorieen, ſolche fuͤr die aͤl-
teren, welche ſich auf bibliſche Gleichniſſe ſtuͤtzen; die bibliſch-
geſchichtlichen aber durchhin fuͤr die neueren. Unter den letz-
ten ſind bekanntlich die Anſpielungen auf die Wiedergeburt,
der Prophet Jonas, die Erweckung des Lazarus, die Ver-
wandlung des Weines und aͤhnliche bey weitem die gewoͤhn-
lichſten. Es wundert mich, daß die Denkmale, an denen ſie
vorkommen, groͤßtentheils von der roheſten Arbeit ſind. Viel-
leicht glaubte man, es genuͤge, den Gedanken nur anzudeu-
*) Vor einigen Jahren habe ich uͤber die bildneriſche Behand-
lung dieſer Statue nachſtehende Bemerkungen aufgezeichnet:
Sie iſt vom halben Schenkel abwaͤrts reſtaurirt, eben ſo beide
Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno-
chenwoͤlbung uͤber dem rechten Auge, die Naſe, ein Theil der Lip-
pen und das Kinn.
Die Augen ſtehen nicht gleich; demungeachtet iſt die Form der
antiken Theile nicht unſchoͤn, der Ausdruck liebenswerth, auch in
Hals und Bruſt einige Ausbildung der Theile.
Die Falten der Tunica haben einzelne ſehr gute Parthieen; im
Ganzen iſt ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent-
wickelt. Die Tunica iſt um die Huͤften aufgebunden.
Das Haar iſt durch tief eingebohrte Loͤcher ausgedruͤckt, die
Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch aͤhnlich behandelt.
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