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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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ley Fragmenten zusammengesetzten Gebälken der Zeiten Con-
stantins
ganz unwerth. Doch als ein Werk des achten Jahr-
hunderts angesehen, verdient es in mehr als einer Hinsicht
Beachtung. Einmal ist es, nach modernem Maße, nicht ohne
Schönheiten des Plans und der Ausführung; zweytens aber
beweiset es, daß dazumal viele Theile, welche in der Baukunst
der Alten ursprünglich nicht der Verzierung, sondern der Con-
struction angehören, damals noch immer in ihrem ersten Sinn
verwendet wurden; daß keinesweges schon damals, sondern
erst im vorgerückteren, Mittelalter jene gänzliche Verzwergung
der Säulen und Gebälke entstanden, welche der gothischen Ar-
chitectur um einige Jahrhunderte vorangeht.

Ueberhaupt darf es uns nicht befremden, die italienische
Baukunst im Zeitalter Karl des Großen, bey verhältnißmäßig
geringem Rückschritt in technischen Vortheilen, noch ungefähr
auf der Höhe zu finden, welche sie unter den gothischen Kö-
nigen und früheren Exarchen eingenommen; vielleicht selbst in
Bezug auf die Anlage dem Hochalterthümlichen oder Antiken
um etwas verwandter, als berühmte Denkmale jener Zeiten,
das Mausoleum Theodorichs und S. Vitale, beide zu Ra-
venna
. Große Hoffnungen, welche gerade damals aus dem
neuen Bunde fränkischer Macht und römischen Ansehens ent-
standen, mochten den Muth unternehmender Geister erhöhen;
auf der anderen Seite war Karl, wie Alle, so ihm durch
Geist und Verdienst nahe standen, gleich Eginhard und Alcuin,
von der Größe und Gediegenheit des Alterthums mächtig er-
griffen worden. Wie man die Alten (obwohl nur jenseit der
Berge) mit feuriger Bewunderung las, nach gleicher Klarheit
des Gedankens (Eginhard), nach ähnlicher Reinheit der
Sprache strebte, so bewunderte man auch die Herrlichkeit ihrer

ley Fragmenten zuſammengeſetzten Gebaͤlken der Zeiten Con-
ſtantins
ganz unwerth. Doch als ein Werk des achten Jahr-
hunderts angeſehen, verdient es in mehr als einer Hinſicht
Beachtung. Einmal iſt es, nach modernem Maße, nicht ohne
Schoͤnheiten des Plans und der Ausfuͤhrung; zweytens aber
beweiſet es, daß dazumal viele Theile, welche in der Baukunſt
der Alten urſpruͤnglich nicht der Verzierung, ſondern der Con-
ſtruction angehoͤren, damals noch immer in ihrem erſten Sinn
verwendet wurden; daß keinesweges ſchon damals, ſondern
erſt im vorgeruͤckteren, Mittelalter jene gaͤnzliche Verzwergung
der Saͤulen und Gebaͤlke entſtanden, welche der gothiſchen Ar-
chitectur um einige Jahrhunderte vorangeht.

Ueberhaupt darf es uns nicht befremden, die italieniſche
Baukunſt im Zeitalter Karl des Großen, bey verhaͤltnißmaͤßig
geringem Ruͤckſchritt in techniſchen Vortheilen, noch ungefaͤhr
auf der Hoͤhe zu finden, welche ſie unter den gothiſchen Koͤ-
nigen und fruͤheren Exarchen eingenommen; vielleicht ſelbſt in
Bezug auf die Anlage dem Hochalterthuͤmlichen oder Antiken
um etwas verwandter, als beruͤhmte Denkmale jener Zeiten,
das Mauſoleum Theodorichs und S. Vitale, beide zu Ra-
venna
. Große Hoffnungen, welche gerade damals aus dem
neuen Bunde fraͤnkiſcher Macht und roͤmiſchen Anſehens ent-
ſtanden, mochten den Muth unternehmender Geiſter erhoͤhen;
auf der anderen Seite war Karl, wie Alle, ſo ihm durch
Geiſt und Verdienſt nahe ſtanden, gleich Eginhard und Alcuin,
von der Groͤße und Gediegenheit des Alterthums maͤchtig er-
griffen worden. Wie man die Alten (obwohl nur jenſeit der
Berge) mit feuriger Bewunderung las, nach gleicher Klarheit
des Gedankens (Eginhard), nach aͤhnlicher Reinheit der
Sprache ſtrebte, ſo bewunderte man auch die Herrlichkeit ihrer

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[205/0223] ley Fragmenten zuſammengeſetzten Gebaͤlken der Zeiten Con- ſtantins ganz unwerth. Doch als ein Werk des achten Jahr- hunderts angeſehen, verdient es in mehr als einer Hinſicht Beachtung. Einmal iſt es, nach modernem Maße, nicht ohne Schoͤnheiten des Plans und der Ausfuͤhrung; zweytens aber beweiſet es, daß dazumal viele Theile, welche in der Baukunſt der Alten urſpruͤnglich nicht der Verzierung, ſondern der Con- ſtruction angehoͤren, damals noch immer in ihrem erſten Sinn verwendet wurden; daß keinesweges ſchon damals, ſondern erſt im vorgeruͤckteren, Mittelalter jene gaͤnzliche Verzwergung der Saͤulen und Gebaͤlke entſtanden, welche der gothiſchen Ar- chitectur um einige Jahrhunderte vorangeht. Ueberhaupt darf es uns nicht befremden, die italieniſche Baukunſt im Zeitalter Karl des Großen, bey verhaͤltnißmaͤßig geringem Ruͤckſchritt in techniſchen Vortheilen, noch ungefaͤhr auf der Hoͤhe zu finden, welche ſie unter den gothiſchen Koͤ- nigen und fruͤheren Exarchen eingenommen; vielleicht ſelbſt in Bezug auf die Anlage dem Hochalterthuͤmlichen oder Antiken um etwas verwandter, als beruͤhmte Denkmale jener Zeiten, das Mauſoleum Theodorichs und S. Vitale, beide zu Ra- venna. Große Hoffnungen, welche gerade damals aus dem neuen Bunde fraͤnkiſcher Macht und roͤmiſchen Anſehens ent- ſtanden, mochten den Muth unternehmender Geiſter erhoͤhen; auf der anderen Seite war Karl, wie Alle, ſo ihm durch Geiſt und Verdienſt nahe ſtanden, gleich Eginhard und Alcuin, von der Groͤße und Gediegenheit des Alterthums maͤchtig er- griffen worden. Wie man die Alten (obwohl nur jenſeit der Berge) mit feuriger Bewunderung las, nach gleicher Klarheit des Gedankens (Eginhard), nach aͤhnlicher Reinheit der Sprache ſtrebte, ſo bewunderte man auch die Herrlichkeit ihrer

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/223>, abgerufen am 19.05.2024.