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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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ser Codex im zehnten oder eilften Jahrhundert geschrieben zu
seyn. Die Miniaturen zu Anfang sind unglaublich unförm-
lich; die Jungfrau vornehmlich ist auffallend ungestalt und
roh behandelt. Was an altchristlichen Gewandmotiven aufge-
nommen worden, ist durcheinander geworfen und gänzlich miß-
verstanden. Aehnliche Miniaturen, deren Alter mehr und
minder mit Sicherheit anzugeben, finden sich überall in den
Bibliotheken Italiens, und wahrscheinlich, wenn man sie su-
chen wollte, auch in einigen der größeren Sammlungen dies-
seit der Berge. Z. B. in der Bibl. der Sapienza zu Siena,
No. 1 und 2 der chronologischen Sammlung miniirter HSS.
Die erste, s. Augustin. in Ev. fo. m., enthält acquarellirte
Anfangsbuchstaben, unter denen in c. Serm. XIII. ein Rund
mit Köpfen von äußerster Rohigkeit; die zweyte, Antiphona-
rium,
hat einfachere Verzierungen, darin Figuren von etwa
vier Kopflängen. Diese Kritzeleyen sind schwerlich das Beste
ihrer Zeit, stimmen indeß zum Tone ihrer Zeit. Vgl. v. d.
Hagen
im a. B. Bd. III. S. 251 ff. über Bibl. u. Archiv
des Klosters la Cava.

5) In der bereits angeführten Kirche S. Praxedis, welche
Paschal I., wie schon erwähnt, neu gebauet hat, befinden sich
einige Malereyen, welche offenbar jünger und roher sind, als
jene Musive dess. Papstes, doch als minder barbarisch in Be-
kleidungen und Beywerken, älter zu seyn scheinen, als das
angeführte Musaik in S. Francesca Romana. Diese bestehen,
zunächst in dem Musive der kleinen Nische der Kapelle des
heil. Paul, worin die Madonna mit dem Kinde, zu beiden
Seiten die Hll. Praxedis und Pudentiana. Das lateinische
Monogramm im Felde, aufgelöst: Maria, Christi mater,
ist wegen seiner Seltenheit bemerkenswerth; zugleich bestätigt

ſer Codex im zehnten oder eilften Jahrhundert geſchrieben zu
ſeyn. Die Miniaturen zu Anfang ſind unglaublich unfoͤrm-
lich; die Jungfrau vornehmlich iſt auffallend ungeſtalt und
roh behandelt. Was an altchriſtlichen Gewandmotiven aufge-
nommen worden, iſt durcheinander geworfen und gaͤnzlich miß-
verſtanden. Aehnliche Miniaturen, deren Alter mehr und
minder mit Sicherheit anzugeben, finden ſich uͤberall in den
Bibliotheken Italiens, und wahrſcheinlich, wenn man ſie ſu-
chen wollte, auch in einigen der groͤßeren Sammlungen dieſ-
ſeit der Berge. Z. B. in der Bibl. der Sapienza zu Siena,
No. 1 und 2 der chronologiſchen Sammlung miniirter HSS.
Die erſte, ſ. Augustin. in Ev. fo. m., enthaͤlt acquarellirte
Anfangsbuchſtaben, unter denen in c. Serm. XIII. ein Rund
mit Koͤpfen von aͤußerſter Rohigkeit; die zweyte, Antiphona-
rium,
hat einfachere Verzierungen, darin Figuren von etwa
vier Kopflaͤngen. Dieſe Kritzeleyen ſind ſchwerlich das Beſte
ihrer Zeit, ſtimmen indeß zum Tone ihrer Zeit. Vgl. v. d.
Hagen
im a. B. Bd. III. S. 251 ff. uͤber Bibl. u. Archiv
des Kloſters la Cava.

5) In der bereits angefuͤhrten Kirche S. Praxedis, welche
Paſchal I., wie ſchon erwaͤhnt, neu gebauet hat, befinden ſich
einige Malereyen, welche offenbar juͤnger und roher ſind, als
jene Muſive deſſ. Papſtes, doch als minder barbariſch in Be-
kleidungen und Beywerken, aͤlter zu ſeyn ſcheinen, als das
angefuͤhrte Muſaik in S. Francesca Romana. Dieſe beſtehen,
zunaͤchſt in dem Muſive der kleinen Niſche der Kapelle des
heil. Paul, worin die Madonna mit dem Kinde, zu beiden
Seiten die Hll. Praxedis und Pudentiana. Das lateiniſche
Monogramm im Felde, aufgeloͤſt: Maria, Christi mater,
iſt wegen ſeiner Seltenheit bemerkenswerth; zugleich beſtaͤtigt

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[246/0264] ſer Codex im zehnten oder eilften Jahrhundert geſchrieben zu ſeyn. Die Miniaturen zu Anfang ſind unglaublich unfoͤrm- lich; die Jungfrau vornehmlich iſt auffallend ungeſtalt und roh behandelt. Was an altchriſtlichen Gewandmotiven aufge- nommen worden, iſt durcheinander geworfen und gaͤnzlich miß- verſtanden. Aehnliche Miniaturen, deren Alter mehr und minder mit Sicherheit anzugeben, finden ſich uͤberall in den Bibliotheken Italiens, und wahrſcheinlich, wenn man ſie ſu- chen wollte, auch in einigen der groͤßeren Sammlungen dieſ- ſeit der Berge. Z. B. in der Bibl. der Sapienza zu Siena, No. 1 und 2 der chronologiſchen Sammlung miniirter HSS. Die erſte, ſ. Augustin. in Ev. fo. m., enthaͤlt acquarellirte Anfangsbuchſtaben, unter denen in c. Serm. XIII. ein Rund mit Koͤpfen von aͤußerſter Rohigkeit; die zweyte, Antiphona- rium, hat einfachere Verzierungen, darin Figuren von etwa vier Kopflaͤngen. Dieſe Kritzeleyen ſind ſchwerlich das Beſte ihrer Zeit, ſtimmen indeß zum Tone ihrer Zeit. Vgl. v. d. Hagen im a. B. Bd. III. S. 251 ff. uͤber Bibl. u. Archiv des Kloſters la Cava. 5) In der bereits angefuͤhrten Kirche S. Praxedis, welche Paſchal I., wie ſchon erwaͤhnt, neu gebauet hat, befinden ſich einige Malereyen, welche offenbar juͤnger und roher ſind, als jene Muſive deſſ. Papſtes, doch als minder barbariſch in Be- kleidungen und Beywerken, aͤlter zu ſeyn ſcheinen, als das angefuͤhrte Muſaik in S. Francesca Romana. Dieſe beſtehen, zunaͤchſt in dem Muſive der kleinen Niſche der Kapelle des heil. Paul, worin die Madonna mit dem Kinde, zu beiden Seiten die Hll. Praxedis und Pudentiana. Das lateiniſche Monogramm im Felde, aufgeloͤſt: Maria, Christi mater, iſt wegen ſeiner Seltenheit bemerkenswerth; zugleich beſtaͤtigt

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/264>, abgerufen am 17.06.2024.