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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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telalters in Italien gemalt und gemeißelt habe, kann, wie
ich oben an sparsam und mit Umsicht gewählten Beyspielen
dargelegt, durchaus nicht in Frage kommen; wer mit den
Quellen der mittleren Geschichte, vornehmlich der kirchlichen,
bekannt ist, dem wird es unerklärlich seyn, wie man überall
jemals darüber habe streiten können. Ich übergehe daher das
müßige Gezänk örtlicher Forscher, welche die Ehre ihrer Va-
terstadt durch die Entdeckung älterer Kunstwerke zu erhöhen
geglaubt, die nicht durchhin Probe halten; ist es doch nicht
einmal so ausgemacht, ob Vasari, den sie mit so viel Hef-
tigkeit bestreiten, in Dingen, über welche ihm ohnehin keine
Stimme gebührt, so ganz vom Wahren abgewichen sey. Denn
es waren ihm selbst viele Thatsachen bekannt, welche die Fort-
dauer einer gewissen Kunstübung außer Zweifel setzen; so daß
wir die Wahl haben, ihm entweder absichtliche Verdrehung,
oder Flüchtigkeit und Vergessenheit beyzumessen; oder, was
doch zugleich das billigste und meist überzeugende seyn dürfte:
daß ihm die rohen Arbeiten des dunkleren Mittelalters, gegen
welche er seinen Widerwillen deutlich ausspricht *), der Beach-
tung unwerth geschienen; daß er daher die Kunstgeschichte lie-
ber mit einem Meister habe beginnen wollen, dessen Werke
Geist und Geschicklichkeit darlegen. Cimabue war in der That,
wie wir in seiner großen, wohlerhaltenen Jungfrau, in der

*) Vasari, Giorg. vite de pittori etc. Ed. Giunt. Fir 1568.
4.; vita d'Andrea Tafi. "-- -- perche tutte quelle (sculture) che
fecero in Italia i maestri di quell' eta, come s'e detto nel proemio
delle vite, furono molto goffe."
-- Er geht von S. Miniato a
Monte aus, welches Gebäude er in das J. 1013 versetzt, und führt
als Beyspiel die Kanzel von Guido von Como an, die er im J.
1199 entstehen läßt. -- Früher im proemio, p. 78. -- la pittura
poco meno, che spenta affatto
-- nemlich im eilften Jahrh.

telalters in Italien gemalt und gemeißelt habe, kann, wie
ich oben an ſparſam und mit Umſicht gewaͤhlten Beyſpielen
dargelegt, durchaus nicht in Frage kommen; wer mit den
Quellen der mittleren Geſchichte, vornehmlich der kirchlichen,
bekannt iſt, dem wird es unerklaͤrlich ſeyn, wie man uͤberall
jemals daruͤber habe ſtreiten koͤnnen. Ich uͤbergehe daher das
muͤßige Gezaͤnk oͤrtlicher Forſcher, welche die Ehre ihrer Va-
terſtadt durch die Entdeckung aͤlterer Kunſtwerke zu erhoͤhen
geglaubt, die nicht durchhin Probe halten; iſt es doch nicht
einmal ſo ausgemacht, ob Vaſari, den ſie mit ſo viel Hef-
tigkeit beſtreiten, in Dingen, uͤber welche ihm ohnehin keine
Stimme gebuͤhrt, ſo ganz vom Wahren abgewichen ſey. Denn
es waren ihm ſelbſt viele Thatſachen bekannt, welche die Fort-
dauer einer gewiſſen Kunſtuͤbung außer Zweifel ſetzen; ſo daß
wir die Wahl haben, ihm entweder abſichtliche Verdrehung,
oder Fluͤchtigkeit und Vergeſſenheit beyzumeſſen; oder, was
doch zugleich das billigſte und meiſt uͤberzeugende ſeyn duͤrfte:
daß ihm die rohen Arbeiten des dunkleren Mittelalters, gegen
welche er ſeinen Widerwillen deutlich ausſpricht *), der Beach-
tung unwerth geſchienen; daß er daher die Kunſtgeſchichte lie-
ber mit einem Meiſter habe beginnen wollen, deſſen Werke
Geiſt und Geſchicklichkeit darlegen. Cimabue war in der That,
wie wir in ſeiner großen, wohlerhaltenen Jungfrau, in der

*) Vasari, Giorg. vite de pittori etc. Ed. Giunt. Fir 1568.
4.; vita d’Andrea Tafi. „— — perché tutte quelle (sculture) che
fecero in Italia i maestri di quell’ età, come s’é detto nel proemio
delle vite, furono molto goffe.“
— Er geht von S. Miniato a
Monte aus, welches Gebaͤude er in das J. 1013 verſetzt, und fuͤhrt
als Beyſpiel die Kanzel von Guido von Como an, die er im J.
1199 entſtehen laͤßt. — Fruͤher im proemio, p. 78. — la pittura
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— nemlich im eilften Jahrh.
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[285/0303] telalters in Italien gemalt und gemeißelt habe, kann, wie ich oben an ſparſam und mit Umſicht gewaͤhlten Beyſpielen dargelegt, durchaus nicht in Frage kommen; wer mit den Quellen der mittleren Geſchichte, vornehmlich der kirchlichen, bekannt iſt, dem wird es unerklaͤrlich ſeyn, wie man uͤberall jemals daruͤber habe ſtreiten koͤnnen. Ich uͤbergehe daher das muͤßige Gezaͤnk oͤrtlicher Forſcher, welche die Ehre ihrer Va- terſtadt durch die Entdeckung aͤlterer Kunſtwerke zu erhoͤhen geglaubt, die nicht durchhin Probe halten; iſt es doch nicht einmal ſo ausgemacht, ob Vaſari, den ſie mit ſo viel Hef- tigkeit beſtreiten, in Dingen, uͤber welche ihm ohnehin keine Stimme gebuͤhrt, ſo ganz vom Wahren abgewichen ſey. Denn es waren ihm ſelbſt viele Thatſachen bekannt, welche die Fort- dauer einer gewiſſen Kunſtuͤbung außer Zweifel ſetzen; ſo daß wir die Wahl haben, ihm entweder abſichtliche Verdrehung, oder Fluͤchtigkeit und Vergeſſenheit beyzumeſſen; oder, was doch zugleich das billigſte und meiſt uͤberzeugende ſeyn duͤrfte: daß ihm die rohen Arbeiten des dunkleren Mittelalters, gegen welche er ſeinen Widerwillen deutlich ausſpricht *), der Beach- tung unwerth geſchienen; daß er daher die Kunſtgeſchichte lie- ber mit einem Meiſter habe beginnen wollen, deſſen Werke Geiſt und Geſchicklichkeit darlegen. Cimabue war in der That, wie wir in ſeiner großen, wohlerhaltenen Jungfrau, in der *) Vasari, Giorg. vite de pittori etc. Ed. Giunt. Fir 1568. 4.; vita d’Andrea Tafi. „— — perché tutte quelle (sculture) che fecero in Italia i maestri di quell’ età, come s’é detto nel proemio delle vite, furono molto goffe.“ — Er geht von S. Miniato a Monte aus, welches Gebaͤude er in das J. 1013 verſetzt, und fuͤhrt als Beyſpiel die Kanzel von Guido von Como an, die er im J. 1199 entſtehen laͤßt. — Fruͤher im proemio, p. 78. — la pittura poco meno, che spenta affatto — nemlich im eilften Jahrh.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/303>, abgerufen am 22.11.2024.