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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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ich bisweilen unter den Denkmalen dunkler Zeiten einige Spu-
ren griechischer Schule wahrzunehmen glaubte. So scheint
mir noch immer die eigenthümliche Anordnung und Hagerkeit
der Figuren eines längst untergegangenen Musives, auf wel-
chem Calixtus II. und Anastasius IV. neben anderen Figuren,
in den Abbildungen *), welche freilich minder genau seyn
könnten, griechischen Ursprung zu verrathen. Ferner möchte
das Musiv über dem Hauptaltare der Kirche S. Clemente zu
Rom, über dessen Stiftung ich bekenne, nicht unterrichtet zu
seyn, recht wohl für eine Nachahmung der Musive zu Mon-
tecassino
gelten können, so lange das Gegentheil nicht urkund-
lich zu erweisen ist. Denn, bey damaligem Vorwalten des
Architectonischen, dürfen wir schließen, daß die Thiere, Pflan-
zen und Blumen, von denen Leo erzählt **), gleichwie in dem
Musiv von S. Clemente, in Geschlinge und Verzierungen
verflochten waren. Auch eine Madonna, von zwey Engeln
umgeben, welche Kandelaber halten, über einer Seitenthüre
der Kirche Ara Celi auf dem Kapitol zu Rom, erscheint mir,
in Ansehung ihrer guten musivischen Zusammensetzung, ihrer
Hinneigung zu einiger Schönheit der Umrisse, bey übrigens
unausgebildeter Modellirung, als ein Werk früher, durch grie-
chische Muster verfeinerter Italiener. Die griechische Abkunft
verräth sich theils in den kleineren, schärfer ausgekanteten
Glaswürfeln des Musives, theils auch in dem Monogramme
MP. ThU. Ich habe oben ältere, rohere, ganz italienische

*) S. Muratori, scriptt. T. III. ad pag. 417.
**) Leo Ostiensis, l. c. -- "quum et in Musivo animatas fe-
ras autumet quisque figuratas, et quaeque virentia cernere, et in
marmoribus omnigenum colorum flores pulcra putet diversitate
vernare."

ich bisweilen unter den Denkmalen dunkler Zeiten einige Spu-
ren griechiſcher Schule wahrzunehmen glaubte. So ſcheint
mir noch immer die eigenthuͤmliche Anordnung und Hagerkeit
der Figuren eines laͤngſt untergegangenen Muſives, auf wel-
chem Calixtus II. und Anaſtaſius IV. neben anderen Figuren,
in den Abbildungen *), welche freilich minder genau ſeyn
koͤnnten, griechiſchen Urſprung zu verrathen. Ferner moͤchte
das Muſiv uͤber dem Hauptaltare der Kirche S. Clemente zu
Rom, uͤber deſſen Stiftung ich bekenne, nicht unterrichtet zu
ſeyn, recht wohl fuͤr eine Nachahmung der Muſive zu Mon-
tecaſſino
gelten koͤnnen, ſo lange das Gegentheil nicht urkund-
lich zu erweiſen iſt. Denn, bey damaligem Vorwalten des
Architectoniſchen, duͤrfen wir ſchließen, daß die Thiere, Pflan-
zen und Blumen, von denen Leo erzaͤhlt **), gleichwie in dem
Muſiv von S. Clemente, in Geſchlinge und Verzierungen
verflochten waren. Auch eine Madonna, von zwey Engeln
umgeben, welche Kandelaber halten, uͤber einer Seitenthuͤre
der Kirche Ara Celi auf dem Kapitol zu Rom, erſcheint mir,
in Anſehung ihrer guten muſiviſchen Zuſammenſetzung, ihrer
Hinneigung zu einiger Schoͤnheit der Umriſſe, bey uͤbrigens
unausgebildeter Modellirung, als ein Werk fruͤher, durch grie-
chiſche Muſter verfeinerter Italiener. Die griechiſche Abkunft
verraͤth ſich theils in den kleineren, ſchaͤrfer ausgekanteten
Glaswuͤrfeln des Muſives, theils auch in dem Monogramme
M̅P̅. Θ̅ϒ̅. Ich habe oben aͤltere, rohere, ganz italieniſche

*) S. Muratori, scriptt. T. III. ad pag. 417.
**) Leo Ostiensis, l. c. — „quum et in Musivo animatas fe-
ras autumet quisque figuratas, et quaeque virentia cernere, et in
marmoribus omnigenum colorum flores pulcra putet diversitate
vernare.“
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[319/0337] ich bisweilen unter den Denkmalen dunkler Zeiten einige Spu- ren griechiſcher Schule wahrzunehmen glaubte. So ſcheint mir noch immer die eigenthuͤmliche Anordnung und Hagerkeit der Figuren eines laͤngſt untergegangenen Muſives, auf wel- chem Calixtus II. und Anaſtaſius IV. neben anderen Figuren, in den Abbildungen *), welche freilich minder genau ſeyn koͤnnten, griechiſchen Urſprung zu verrathen. Ferner moͤchte das Muſiv uͤber dem Hauptaltare der Kirche S. Clemente zu Rom, uͤber deſſen Stiftung ich bekenne, nicht unterrichtet zu ſeyn, recht wohl fuͤr eine Nachahmung der Muſive zu Mon- tecaſſino gelten koͤnnen, ſo lange das Gegentheil nicht urkund- lich zu erweiſen iſt. Denn, bey damaligem Vorwalten des Architectoniſchen, duͤrfen wir ſchließen, daß die Thiere, Pflan- zen und Blumen, von denen Leo erzaͤhlt **), gleichwie in dem Muſiv von S. Clemente, in Geſchlinge und Verzierungen verflochten waren. Auch eine Madonna, von zwey Engeln umgeben, welche Kandelaber halten, uͤber einer Seitenthuͤre der Kirche Ara Celi auf dem Kapitol zu Rom, erſcheint mir, in Anſehung ihrer guten muſiviſchen Zuſammenſetzung, ihrer Hinneigung zu einiger Schoͤnheit der Umriſſe, bey uͤbrigens unausgebildeter Modellirung, als ein Werk fruͤher, durch grie- chiſche Muſter verfeinerter Italiener. Die griechiſche Abkunft verraͤth ſich theils in den kleineren, ſchaͤrfer ausgekanteten Glaswuͤrfeln des Muſives, theils auch in dem Monogramme M̅P̅. Θ̅ϒ̅. Ich habe oben aͤltere, rohere, ganz italieniſche *) S. Muratori, scriptt. T. III. ad pag. 417. **) Leo Ostiensis, l. c. — „quum et in Musivo animatas fe- ras autumet quisque figuratas, et quaeque virentia cernere, et in marmoribus omnigenum colorum flores pulcra putet diversitate vernare.“

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/337>, abgerufen am 02.06.2024.