QVEM CHRISTVS LENIS NVLLIS VELIT AGERE PENIS ANO. D. M. C°C. XXI.
Ungleich gewandter in der Anwendung griechischer Kunst- fertigkeiten, glücklicher in der Wahl und Nachahmung alt- christlicher oder mittelalterlich griechischer Vorbilder, war jener Künstler, welcher im Jahre 1225 die Altarnische der Johan- niskirche zu Florenz musivisch verziert hat. Dieses Werk, in so weit es noch besteht, bekleidet die Flächen eines Kreuzge- wölbes von geringerer Tiefe, als Breite, auf welchem, nicht ohne Erinnerung an altchristliche, spätantike Eintheilungen, in der Mitte, wo die Gewölbrippen sich am meisten verflächen, ein Rund angebracht worden, dessen äußere Einfassung schon etwas willkührlicher verziert ist.
Dieser äußere Kreis wird mit dem inneren durch wun- derliche Kandelaberformen verbunden, welche jedesmal in einem Cherub endigen; im goldenen Felde, von einem Kandelaber zum anderen, ein Prophet mit beygesetztem Namen; die letzten zeigen in der Gestalt, Stellung, Gewandung, in der Behand- lung überhaupt, besonders des Haars, recht viel Geschmack, und die Absicht, Würde und Hoheit auszudrücken. Ich will nicht entscheiden, ob italienische oder griechische Nachahmungen altchristlicher Vorbilder hierin dem Künstler vorgeleuchtet ha- ben; genug, daß sie dem Besten, so in den griechischen Denk- malen des Mittelalters aus dem höheren Alterthume sich er- halten hat, z. B. dem kleinen Musiv des Schatzes eben dieser der Johanniskirche, in jeder Hinsicht nahe stehen.
Der innere Kreis enthält das Lamm Gottes, und, gol- den auf rothem Grunde, die Beyschrift:
Ungleich gewandter in der Anwendung griechiſcher Kunſt- fertigkeiten, gluͤcklicher in der Wahl und Nachahmung alt- chriſtlicher oder mittelalterlich griechiſcher Vorbilder, war jener Kuͤnſtler, welcher im Jahre 1225 die Altarniſche der Johan- niskirche zu Florenz muſiviſch verziert hat. Dieſes Werk, in ſo weit es noch beſteht, bekleidet die Flaͤchen eines Kreuzge- woͤlbes von geringerer Tiefe, als Breite, auf welchem, nicht ohne Erinnerung an altchriſtliche, ſpaͤtantike Eintheilungen, in der Mitte, wo die Gewoͤlbrippen ſich am meiſten verflaͤchen, ein Rund angebracht worden, deſſen aͤußere Einfaſſung ſchon etwas willkuͤhrlicher verziert iſt.
Dieſer aͤußere Kreis wird mit dem inneren durch wun- derliche Kandelaberformen verbunden, welche jedesmal in einem Cherub endigen; im goldenen Felde, von einem Kandelaber zum anderen, ein Prophet mit beygeſetztem Namen; die letzten zeigen in der Geſtalt, Stellung, Gewandung, in der Behand- lung uͤberhaupt, beſonders des Haars, recht viel Geſchmack, und die Abſicht, Wuͤrde und Hoheit auszudruͤcken. Ich will nicht entſcheiden, ob italieniſche oder griechiſche Nachahmungen altchriſtlicher Vorbilder hierin dem Kuͤnſtler vorgeleuchtet ha- ben; genug, daß ſie dem Beſten, ſo in den griechiſchen Denk- malen des Mittelalters aus dem hoͤheren Alterthume ſich er- halten hat, z. B. dem kleinen Muſiv des Schatzes eben dieſer der Johanniskirche, in jeder Hinſicht nahe ſtehen.
Der innere Kreis enthaͤlt das Lamm Gottes, und, gol- den auf rothem Grunde, die Beyſchrift:
HIC
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QVEM CHRISTVS LENIS NVLLIS VELIT
A̅GERE PENIS
AN̅O. D̅. M̂. C°C. XXI.
Ungleich gewandter in der Anwendung griechiſcher Kunſt-
fertigkeiten, gluͤcklicher in der Wahl und Nachahmung alt-
chriſtlicher oder mittelalterlich griechiſcher Vorbilder, war jener
Kuͤnſtler, welcher im Jahre 1225 die Altarniſche der Johan-
niskirche zu Florenz muſiviſch verziert hat. Dieſes Werk, in
ſo weit es noch beſteht, bekleidet die Flaͤchen eines Kreuzge-
woͤlbes von geringerer Tiefe, als Breite, auf welchem, nicht
ohne Erinnerung an altchriſtliche, ſpaͤtantike Eintheilungen, in
der Mitte, wo die Gewoͤlbrippen ſich am meiſten verflaͤchen,
ein Rund angebracht worden, deſſen aͤußere Einfaſſung ſchon
etwas willkuͤhrlicher verziert iſt.
Dieſer aͤußere Kreis wird mit dem inneren durch wun-
derliche Kandelaberformen verbunden, welche jedesmal in einem
Cherub endigen; im goldenen Felde, von einem Kandelaber
zum anderen, ein Prophet mit beygeſetztem Namen; die letzten
zeigen in der Geſtalt, Stellung, Gewandung, in der Behand-
lung uͤberhaupt, beſonders des Haars, recht viel Geſchmack,
und die Abſicht, Wuͤrde und Hoheit auszudruͤcken. Ich will
nicht entſcheiden, ob italieniſche oder griechiſche Nachahmungen
altchriſtlicher Vorbilder hierin dem Kuͤnſtler vorgeleuchtet ha-
ben; genug, daß ſie dem Beſten, ſo in den griechiſchen Denk-
malen des Mittelalters aus dem hoͤheren Alterthume ſich er-
halten hat, z. B. dem kleinen Muſiv des Schatzes eben dieſer
der Johanniskirche, in jeder Hinſicht nahe ſtehen.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/354>, abgerufen am 27.11.2024.
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