des Geistes ist, so wird die Auffassung, an und für sich und ohne Rückblick auf ihren Gegenstand betrachtet, nach denselben Ge- setzen sich bewegen, in ihrer Werthbestimmung demselben Maße unterliegen, als jede andere gleich freye Thätigkeit des Geistes. Also wird dasselbe, so in vielen andern Verhältnissen unser Urtheil über den Werth, oder Unwerth menschlicher Leistungen bestimmt, uns auch da leiten müssen, wo bey Kunstwerken über das Verdienst, oder Unverdienst der Auffassung zu ent- scheiden ist. Kraft, Nachdruck, Schwung, oder Güte und Milde, oder auch Scharfsinnigkeit und deutliches Bewußtseyn des eignen Wollens werden, wie überhaupt im Leben, so auch in der Kunst einen begründeten Anspruch auf Billigung be- sitzen. Mit Ungrund daher und nach irrigen Voraussetzungen ward jüngst von der abscheidenden Kunstlehre der aufstreben- den vorgeworfen, daß sie auf sittlichen Ernst und innere Belebung des Gemüthes unnöthiger Weise Gewicht lege. In einem solchen Streben, welches leichter auszusprechen, als zu bethätigen ist, sollten wir unsere Zeitgenossen nur zu bestärken suchen. Denn nicht hierin, sondern, wenn überhaupt, nur in den Ansichten der Darstellung scheint die neueste Kunst- lehre Irrthümer zu enthalten, welche, wenn man sie nur in der Nähe besehen wollte, eine bloße Uebersetzung derselben Meinungen sind, welche schon einmal eine Uebertragung er- fahren, als sie aus der Kunstlehre der Manieristen in die klassisch gestimmte der Schönheitslehrer überging.
So allgemeine Begriffe indeß, als oben zur Andeutung genügen mochten, werden in der Anwendung auf das man- nichtfaltigste bald sich feiner ausspalten, bald wiederum sich einigen und verschmelzen wollen. Denn die künstlerische Auf- fassung ist, eben wie das menschliche Naturell überhaupt,
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des Geiſtes iſt, ſo wird die Auffaſſung, an und fuͤr ſich und ohne Ruͤckblick auf ihren Gegenſtand betrachtet, nach denſelben Ge- ſetzen ſich bewegen, in ihrer Werthbeſtimmung demſelben Maße unterliegen, als jede andere gleich freye Thaͤtigkeit des Geiſtes. Alſo wird daſſelbe, ſo in vielen andern Verhaͤltniſſen unſer Urtheil uͤber den Werth, oder Unwerth menſchlicher Leiſtungen beſtimmt, uns auch da leiten muͤſſen, wo bey Kunſtwerken uͤber das Verdienſt, oder Unverdienſt der Auffaſſung zu ent- ſcheiden iſt. Kraft, Nachdruck, Schwung, oder Guͤte und Milde, oder auch Scharfſinnigkeit und deutliches Bewußtſeyn des eignen Wollens werden, wie uͤberhaupt im Leben, ſo auch in der Kunſt einen begruͤndeten Anſpruch auf Billigung be- ſitzen. Mit Ungrund daher und nach irrigen Vorausſetzungen ward juͤngſt von der abſcheidenden Kunſtlehre der aufſtreben- den vorgeworfen, daß ſie auf ſittlichen Ernſt und innere Belebung des Gemuͤthes unnoͤthiger Weiſe Gewicht lege. In einem ſolchen Streben, welches leichter auszuſprechen, als zu bethaͤtigen iſt, ſollten wir unſere Zeitgenoſſen nur zu beſtaͤrken ſuchen. Denn nicht hierin, ſondern, wenn uͤberhaupt, nur in den Anſichten der Darſtellung ſcheint die neueſte Kunſt- lehre Irrthuͤmer zu enthalten, welche, wenn man ſie nur in der Naͤhe beſehen wollte, eine bloße Ueberſetzung derſelben Meinungen ſind, welche ſchon einmal eine Uebertragung er- fahren, als ſie aus der Kunſtlehre der Manieriſten in die klaſſiſch geſtimmte der Schoͤnheitslehrer uͤberging.
So allgemeine Begriffe indeß, als oben zur Andeutung genuͤgen mochten, werden in der Anwendung auf das man- nichtfaltigſte bald ſich feiner ausſpalten, bald wiederum ſich einigen und verſchmelzen wollen. Denn die kuͤnſtleriſche Auf- faſſung iſt, eben wie das menſchliche Naturell uͤberhaupt,
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des Geiſtes iſt, ſo wird die Auffaſſung, an und fuͤr ſich und ohne
Ruͤckblick auf ihren Gegenſtand betrachtet, nach denſelben Ge-
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unterliegen, als jede andere gleich freye Thaͤtigkeit des Geiſtes.
Alſo wird daſſelbe, ſo in vielen andern Verhaͤltniſſen unſer
Urtheil uͤber den Werth, oder Unwerth menſchlicher Leiſtungen
beſtimmt, uns auch da leiten muͤſſen, wo bey Kunſtwerken
uͤber das Verdienſt, oder Unverdienſt der Auffaſſung zu ent-
ſcheiden iſt. Kraft, Nachdruck, Schwung, oder Guͤte und
Milde, oder auch Scharfſinnigkeit und deutliches Bewußtſeyn
des eignen Wollens werden, wie uͤberhaupt im Leben, ſo auch
in der Kunſt einen begruͤndeten Anſpruch auf Billigung be-
ſitzen. Mit Ungrund daher und nach irrigen Vorausſetzungen
ward juͤngſt von der abſcheidenden Kunſtlehre der aufſtreben-
den vorgeworfen, daß ſie auf ſittlichen Ernſt und innere
Belebung des Gemuͤthes unnoͤthiger Weiſe Gewicht lege. In
einem ſolchen Streben, welches leichter auszuſprechen, als zu
bethaͤtigen iſt, ſollten wir unſere Zeitgenoſſen nur zu beſtaͤrken
ſuchen. Denn nicht hierin, ſondern, wenn uͤberhaupt, nur
in den Anſichten der Darſtellung ſcheint die neueſte Kunſt-
lehre Irrthuͤmer zu enthalten, welche, wenn man ſie nur in
der Naͤhe beſehen wollte, eine bloße Ueberſetzung derſelben
Meinungen ſind, welche ſchon einmal eine Uebertragung er-
fahren, als ſie aus der Kunſtlehre der Manieriſten in die
klaſſiſch geſtimmte der Schoͤnheitslehrer uͤberging.
So allgemeine Begriffe indeß, als oben zur Andeutung
genuͤgen mochten, werden in der Anwendung auf das man-
nichtfaltigſte bald ſich feiner ausſpalten, bald wiederum ſich
einigen und verſchmelzen wollen. Denn die kuͤnſtleriſche Auf-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/37>, abgerufen am 21.11.2024.
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