Unter den Werken des Tommaso, gemeinhin Giottino, deren Ghiberti erwähnt, erhielt sich die Kappelle Bardi zur äußersten Linken des Chores von sta Croce zu Florenz, worin Darstellungen aus der Legende des Silvester und anderer Hei- ligen, bis auf unsere Zeit hinab in sehr gutem Stande. Sie rechtfertigt die Lobsprüche, welche Ghiberti und Vasari diesem Künstler ertheilt haben; die Wunderbegebenheiten sind glück- lich ausgedrückt; die Heiligen haben Ernst und Würde genug, um das nöthige Zutrauen zu erwecken, der Haufen aber zeigt so viel Spannung, Zweifel, Zuversicht, Erstaunen, als irgend bey solchen Ereignissen vorauszusetzen ist.
In der Ausführung dieser Mauergemälde glaubte ich bey wiederholter Betrachtung wahrzunehmen, daß Giottino sich ernstlich bemüht habe, die gleichmäßig gedrängte und lebendige Anordnung, die breiten, undurchschnittenen Lichtmassen des Giotto nicht allein beyzubehalten, vielmehr sie weiterzubilden. Sichtlich war er bereits tiefer in die Gesetze der Erscheinung eingedrungen, kannte er bereits, wie glückliche Wendungen der Arme und Häupter darlegen, die menschliche Gestalt ungleich besser, als Giotto und selbst als Taddeo, der jenen wohl in der Anmuth übertrifft, doch in der Zeichnung, im Charakter, im Ausdruck ernster und feyerlicher Stimmungen, weit hinter ihm zurückgeblieben ist.
Diese Mauergemälde möchten mehr, als irgend andere unter den noch vorhandenen Denkmalen der Malerey des vier- zehnten Jahrhundertes für das Vorbild jener ernsten Auf- fassung und gehaltenen Darstellung heiliger Handlungen gel-
mei Iohannis not. de 1363. = 1396. fo. 71. -- Lanzi sto. pitt. sc. Fior. Ep. 1. verfolgte ihn nur bis 1352.
Unter den Werken des Tommaſo, gemeinhin Giottino, deren Ghiberti erwaͤhnt, erhielt ſich die Kappelle Bardi zur aͤußerſten Linken des Chores von ſta Croce zu Florenz, worin Darſtellungen aus der Legende des Silveſter und anderer Hei- ligen, bis auf unſere Zeit hinab in ſehr gutem Stande. Sie rechtfertigt die Lobſpruͤche, welche Ghiberti und Vaſari dieſem Kuͤnſtler ertheilt haben; die Wunderbegebenheiten ſind gluͤck- lich ausgedruͤckt; die Heiligen haben Ernſt und Wuͤrde genug, um das noͤthige Zutrauen zu erwecken, der Haufen aber zeigt ſo viel Spannung, Zweifel, Zuverſicht, Erſtaunen, als irgend bey ſolchen Ereigniſſen vorauszuſetzen iſt.
In der Ausfuͤhrung dieſer Mauergemaͤlde glaubte ich bey wiederholter Betrachtung wahrzunehmen, daß Giottino ſich ernſtlich bemuͤht habe, die gleichmaͤßig gedraͤngte und lebendige Anordnung, die breiten, undurchſchnittenen Lichtmaſſen des Giotto nicht allein beyzubehalten, vielmehr ſie weiterzubilden. Sichtlich war er bereits tiefer in die Geſetze der Erſcheinung eingedrungen, kannte er bereits, wie gluͤckliche Wendungen der Arme und Haͤupter darlegen, die menſchliche Geſtalt ungleich beſſer, als Giotto und ſelbſt als Taddeo, der jenen wohl in der Anmuth uͤbertrifft, doch in der Zeichnung, im Charakter, im Ausdruck ernſter und feyerlicher Stimmungen, weit hinter ihm zuruͤckgeblieben iſt.
Dieſe Mauergemaͤlde moͤchten mehr, als irgend andere unter den noch vorhandenen Denkmalen der Malerey des vier- zehnten Jahrhundertes fuͤr das Vorbild jener ernſten Auf- faſſung und gehaltenen Darſtellung heiliger Handlungen gel-
mei Iohannis not. de 1363. = 1396. fo. 71. — Lanzi sto. pitt. sc. Fior. Ep. 1. verfolgte ihn nur bis 1352.
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[82/0100]
Giottino.
Unter den Werken des Tommaſo, gemeinhin Giottino,
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aͤußerſten Linken des Chores von ſta Croce zu Florenz, worin
Darſtellungen aus der Legende des Silveſter und anderer Hei-
ligen, bis auf unſere Zeit hinab in ſehr gutem Stande. Sie
rechtfertigt die Lobſpruͤche, welche Ghiberti und Vaſari dieſem
Kuͤnſtler ertheilt haben; die Wunderbegebenheiten ſind gluͤck-
lich ausgedruͤckt; die Heiligen haben Ernſt und Wuͤrde genug,
um das noͤthige Zutrauen zu erwecken, der Haufen aber zeigt
ſo viel Spannung, Zweifel, Zuverſicht, Erſtaunen, als irgend
bey ſolchen Ereigniſſen vorauszuſetzen iſt.
In der Ausfuͤhrung dieſer Mauergemaͤlde glaubte ich bey
wiederholter Betrachtung wahrzunehmen, daß Giottino ſich
ernſtlich bemuͤht habe, die gleichmaͤßig gedraͤngte und lebendige
Anordnung, die breiten, undurchſchnittenen Lichtmaſſen des
Giotto nicht allein beyzubehalten, vielmehr ſie weiterzubilden.
Sichtlich war er bereits tiefer in die Geſetze der Erſcheinung
eingedrungen, kannte er bereits, wie gluͤckliche Wendungen der
Arme und Haͤupter darlegen, die menſchliche Geſtalt ungleich
beſſer, als Giotto und ſelbſt als Taddeo, der jenen wohl in
der Anmuth uͤbertrifft, doch in der Zeichnung, im Charakter,
im Ausdruck ernſter und feyerlicher Stimmungen, weit hinter
ihm zuruͤckgeblieben iſt.
Dieſe Mauergemaͤlde moͤchten mehr, als irgend andere
unter den noch vorhandenen Denkmalen der Malerey des vier-
zehnten Jahrhundertes fuͤr das Vorbild jener ernſten Auf-
faſſung und gehaltenen Darſtellung heiliger Handlungen gel-
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*) mei Iohannis not. de 1363. = 1396. fo. 71. — Lanzi sto. pitt. sc.
Fior. Ep. 1. verfolgte ihn nur bis 1352.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/100>, abgerufen am 26.06.2024.
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