waltung, weil man sonst diese breiten Protocolle nicht hätte so ganz übersehen können, welche die Ableitungen des Baldinucci aufheben und ganz überflüssig machen, ihrer, wie bisher in allen Kunstbüchern geschehen, *) billigend oder verwerfend zu erwähnen. Wie Della Valle das Domarchiv zu Siena, wel- ches er nie mit eigenen Augen angesehn, so citirte auch Bal- dinucci (in der Folge auch Richa) hie und da einige der Bü- cher des florentinischen, wenn ich nicht irre, an einer Stelle sogar dasselbe, welches ihn, hätte er selbst, oder sein Beauf- tragter das Buch nur ganz durchlesen wollen, alles unnützen Kopfbrechens über den Namen Orcagna würde überhoben ha- ben. Auf diese Veranlassung bemerke ich, daß bey urkundli- chen Forschungen aller Art ein bloßes Blättern und verstreu- tes Nachsuchen nur etwa dahin führt, den Leser zu verblen- den; daß man nach Maßgabe des Gegenstandes der Untersu- chung Classe für Classe, Blatt für Blatt, die Feder stets in der Hand durchgehen muß, um sich selbst und Anderen die Zuversicht zu schaffen, daß man alles Vorhandene erschöpft habe. Sollte die neuere Kunstgeschichte jemals aus dem No- vellenhaften und Halbwahren, welches ihr Stifter derselben mitgetheilt, zu geschichtlicher Aechtheit und Würde sich erheben wollen, so dürften Viele gemeinschaftlich daran arbeiten und alle erreichbare Archive, deren in Italien unermeßlich viele, Schritt für Schritt durchgehen und bey diesem Geschäfte sich gegenseitig die Hand reichen. Doch wird Solches nicht sobald geschehen, da es leichter, vielleicht auch belohnender ist, den Vasari und andere noch Neuere als Quellen anzusehn und
*) Noch in Nicolini'sElogio d'Orgagna, welches vor we- nigen Jahren ausgegeben worden.
waltung, weil man ſonſt dieſe breiten Protocolle nicht haͤtte ſo ganz uͤberſehen koͤnnen, welche die Ableitungen des Baldinucci aufheben und ganz uͤberfluͤſſig machen, ihrer, wie bisher in allen Kunſtbuͤchern geſchehen, *) billigend oder verwerfend zu erwaͤhnen. Wie Della Valle das Domarchiv zu Siena, wel- ches er nie mit eigenen Augen angeſehn, ſo citirte auch Bal- dinucci (in der Folge auch Richa) hie und da einige der Buͤ- cher des florentiniſchen, wenn ich nicht irre, an einer Stelle ſogar daſſelbe, welches ihn, haͤtte er ſelbſt, oder ſein Beauf- tragter das Buch nur ganz durchleſen wollen, alles unnuͤtzen Kopfbrechens uͤber den Namen Orcagna wuͤrde uͤberhoben ha- ben. Auf dieſe Veranlaſſung bemerke ich, daß bey urkundli- chen Forſchungen aller Art ein bloßes Blaͤttern und verſtreu- tes Nachſuchen nur etwa dahin fuͤhrt, den Leſer zu verblen- den; daß man nach Maßgabe des Gegenſtandes der Unterſu- chung Claſſe fuͤr Claſſe, Blatt fuͤr Blatt, die Feder ſtets in der Hand durchgehen muß, um ſich ſelbſt und Anderen die Zuverſicht zu ſchaffen, daß man alles Vorhandene erſchoͤpft habe. Sollte die neuere Kunſtgeſchichte jemals aus dem No- vellenhaften und Halbwahren, welches ihr Stifter derſelben mitgetheilt, zu geſchichtlicher Aechtheit und Wuͤrde ſich erheben wollen, ſo duͤrften Viele gemeinſchaftlich daran arbeiten und alle erreichbare Archive, deren in Italien unermeßlich viele, Schritt fuͤr Schritt durchgehen und bey dieſem Geſchaͤfte ſich gegenſeitig die Hand reichen. Doch wird Solches nicht ſobald geſchehen, da es leichter, vielleicht auch belohnender iſt, den Vaſari und andere noch Neuere als Quellen anzuſehn und
*) Noch in Nicolini’sElogio d’Orgagna, welches vor we- nigen Jahren ausgegeben worden.
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waltung, weil man ſonſt dieſe breiten Protocolle nicht haͤtte ſo
ganz uͤberſehen koͤnnen, welche die Ableitungen des Baldinucci
aufheben und ganz uͤberfluͤſſig machen, ihrer, wie bisher in
allen Kunſtbuͤchern geſchehen, *) billigend oder verwerfend zu
erwaͤhnen. Wie Della Valle das Domarchiv zu Siena, wel-
ches er nie mit eigenen Augen angeſehn, ſo citirte auch Bal-
dinucci (in der Folge auch Richa) hie und da einige der Buͤ-
cher des florentiniſchen, wenn ich nicht irre, an einer Stelle
ſogar daſſelbe, welches ihn, haͤtte er ſelbſt, oder ſein Beauf-
tragter das Buch nur ganz durchleſen wollen, alles unnuͤtzen
Kopfbrechens uͤber den Namen Orcagna wuͤrde uͤberhoben ha-
ben. Auf dieſe Veranlaſſung bemerke ich, daß bey urkundli-
chen Forſchungen aller Art ein bloßes Blaͤttern und verſtreu-
tes Nachſuchen nur etwa dahin fuͤhrt, den Leſer zu verblen-
den; daß man nach Maßgabe des Gegenſtandes der Unterſu-
chung Claſſe fuͤr Claſſe, Blatt fuͤr Blatt, die Feder ſtets in
der Hand durchgehen muß, um ſich ſelbſt und Anderen die
Zuverſicht zu ſchaffen, daß man alles Vorhandene erſchoͤpft
habe. Sollte die neuere Kunſtgeſchichte jemals aus dem No-
vellenhaften und Halbwahren, welches ihr Stifter derſelben
mitgetheilt, zu geſchichtlicher Aechtheit und Wuͤrde ſich erheben
wollen, ſo duͤrften Viele gemeinſchaftlich daran arbeiten und
alle erreichbare Archive, deren in Italien unermeßlich viele,
Schritt fuͤr Schritt durchgehen und bey dieſem Geſchaͤfte ſich
gegenſeitig die Hand reichen. Doch wird Solches nicht ſobald
geſchehen, da es leichter, vielleicht auch belohnender iſt, den
Vaſari und andere noch Neuere als Quellen anzuſehn und
*) Noch in Nicolini’s Elogio d’Orgagna, welches vor we-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/109>, abgerufen am 21.11.2024.
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